Die Kiroaden
Die Kiroaden sind den Menschen in der äußerlichen
Gestalt nur im Gröbsten ähnlich. Die Arme wirken fast länger als die Beine mit ihren großen Füßen. Am Ende jener Arme befinden
sich Hände, mit einer großen Handschale und vier Fingern.
Der kleine Kopf geht fast übergangslos in den Hals über. Zwei große runde Augen schwarzer Farbe zieren gemeinsam mit einem
runden Mund das Gesicht. Eine Nase oder eine weitere Öffnung ist nicht zu erkennen.
Die Haut oder Körperoberfläche eines Kiroaden ist kahl; kein einziges Haar ziert den Körper. Wohl aber ist sie uneben,
durchbrochen von Steinen und kleinen Würzelchen. Wer sie anfaßt empfindet sie als rauh bis brüchig, schmierig und verformbar
– je nach Wetterbedingung. Im Sonnenlicht schimmert der sonst dunkle bis beigefarbene Körper in einem ansonsten unsichtbaren
Muster in allen bekannten Farben.
Geschlechtsspezifische Unterschiede existieren nicht. Auch sind verschiedene Altersgruppen nicht voneinander zu unterscheiden.
Die Kiroaden sind keine Lebewesen aus Fleisch und Blut. Man mag es kaum glauben, doch sind sie eine Form aus Erde, Stein,
Wasser und anderen Schätzen des Bodens, befähigt über die Welt zu wandeln, zu sprechen, zu denken und eine Kultur zu
erschaffen.
Und dennoch sind Kiroaden keineswegs plumpe Ton- oder Lehmbatzen. Nein, sie sind faszinierende, grazile Geschöpfe, was man
ihnen unter ihrer trägen und dicken Substanz nicht immer ansehen mag. Zwar mögen sie primitiv und plump erscheinen, doch
steckt im erdigen Kern der Kiroaden eine stattliche Kultur und eine nicht geringe Intelligenz.
Innerer Körperaufbau
Organe, wie bei vielen Lebewesen vorhanden, findet man beim Kiroaden nicht im üblichen Sinne. Feine wurzelartige Fäden, eine
Art kristallines Skelett und Steinadern durchziehen den gesamten Körper. Sie tragen die Masse und halten sie beisammen.
Die Wurzelfäden dienen dazu, aufgenommenes Wasser schnell in den ganzen Körper zu führen. Zwar versickert das Wasser ohnehin
im Körper, doch mittels der Wurzeln gelangt es schneller und zielsicher in den Körper.
Einen der wenigen unbeweglichen Körperteile bilden die Steinadern. Bei der Erschaffung der Kiroaden wird um diese Strukturen
herum der Körper modelliert. Sie bilden eine Art massives Skelett, allerdings von Kiroade zu Kiroade unterschiedlich. Es ist
maßgeblich für die Gestalt eines Kiroaden und für seine Beweglichkeit verantwortlich.
Die Kristallstruktur beginnt mit feinsten Geweben auf der Haut und verläuft in zunächst dünnen und dann dickeren Bahnen in den
Körper hinein. Im Zentrum des Körpers bildet sie einen Kristallknoten, umgeben von luftgefüllten Kristallkammern. Der Kristall
ist praktisch im gesamten Körper vorhanden, ob als „Ader“ oder als feinste Teilchen.
Die luftgefüllten Kristallkammern fungieren als eine Art Filter. Ein Kiroade nimmt über seine Umwelt allerlei Giftstoffe auf.
In den Lufkammern wird die dort befindliche Erde wie in einem Sieb gerüttelt und geschüttelt, bis die giftigen Mineralien
übrig bleiben und über feinste Öffnungen in der Haut regelrecht herausrieseln.
Nervensystem
Der Kristall ist es, der dem Kiroaden das Denken und eine Seele schenkt. Die Kristallstruktur ist dem menschlichen Nervensystem
gleichzusetzen.
Jegliches Licht wird von den abertausend Kristallsporen auf der Körperoberfläche des Kiroaden aufgenommen und in das Zentrum
des Kristalls, sowie in jede Ecke des Körpers geleitet. Je höher die aufgefangene Energie ist, desto beweglicher und aktiver
wird ein Kiroade.
Unglaubliches vermag dieser sonderbare Kristall zu verbringen: Er ist in der Lage, jede Erdmasse, die von ihm durchsetzt wird,
in Bewegung zu versetzten. Dadurch wird die Anlagerung von Materialien und neuer Erde als auch die komplizierte Bewegung dieses
Volkes gesteuert.
Und mag schlußendlich lediglich der Kristall selbst der Kiroade sein? Und die Erde und der Lehm herum nur eine vergängliche
Hülle? Fürwahr ein großes Rätsel!
Bewegung
Bei jeder noch so kleinen Bewegung verschieben sich Hunderte von feinsten Schichten innerhalb der Körpermasse eines Kiroaden.
Durch diesen komplizierte Prozess der Bewegung erhält ein Kiroade die Fähigkeit, exakteste Bewegungen in völliger Ruhe
auszuführen. Dafür jedoch sind erfolgen ihre Bewegung stets bedächtig und sie vermögen weder zu springen noch zu rennen.
Die Bewegungen ihrer Gliedmaßen erscheinen auf merkwürdige Weise rund, da sie über keinerlei Gelenke verfügen. eher wirkt es,
als bestünden ihre Extremitäten aus Gummi.
In einem gewissen Maße – soweit die Kristallstruktur zuläßt – können Kiroaden ihre Körperform verändern oder ihre Hände
kurzzeitig verformen. Dies bedarf jedoch großer Anstrengung und Konzentration. Eine Verformung des ganzen Körpers wird durch
das Steinskelett weitgehend verhindert.
Essentielles
Zum Leben oder Überleben benötigt ein Kiroade hauptsächlich Wasser, Mineralien und Muttererde – besonders reine Erde.
Sauerstoff, wie er von den meisten Lebewesen gebraucht wird, ist für Kiroaden nur zum Trocknen ihrer Körper wichtig.
Nahrung im üblichen Sinn kennen Kiroaden nicht. Jedoch müssen sie Wurzelwerk, Erde und Mineralien in sich aufnehmen, um ihren
Körper zu regenerieren und zu erneuern. Diese Materialien führen sie ihrem Körper über ihre Mundöffnung zu oder sie “kleben” die
Materialien an eine Körperstelle. Mittels bestimmter Mineralien des Erdreiches kann der Kiroade kurzweilig besondere Fähigkeiten
erreichen. Je mehr jener Mineralien bei seiner Erschaffung verwendet wurden, desto stärker zeigen sich diese Besonderheiten!
Das Wasser bzw. eine gewisse Luftfeuchtigkeit wird benötigt, um den Körper vom Austrocknen zu bewahren. Hitze bzw. Wärme
dagegen, um ihn vor dem “innerlichen Ertrinken” zu bewahren.
Sonnenlicht sowie jegliche Wärmeeinstrahlung ist ebenso lebensnotwendig, denn die dadurch erhaltene Energie macht einen
Kiroaden erst vital.
Sinneswahrnehmung
Sehen
Deutlich erkennbar sind zwei große schwarze gläserne Augen. Hier wuchs der Kristall zu je einem hohlen Trichter, der sich in
den Kopf hinein verjüngt. In der großen Trichteröffnung befindet sich eine Art Linse, auch am jüngsten Ende des Trichters ist
eine solche zu finden – damit gleichen jene Augen einem einfachen „Fernrohr“. Einfallende Lichtstrahlen werden gebündelt,
verstärkt und/oder vergrößert. Das Bild wird über die Kristalle zum Zentrum geleitet. Der Kiroade sieht.
Allerdings könnte man sagen, daß ein Kiroade mit jeder kleinsten Kristallspore auf seiner Haut „sieht”. Er spürt auf diese
Weise zumindest den Einfall von Licht (und auch von Wärme). Ein Kiroade hat eine – wenn auch größtenteils unscharfe und
eingeschränkte – 360°-Rundum-Wahrnehmung seiner Umwelt.
Seine ganzkörperliche Wahrnehmungsfähigkeit zeigt ihm die Welt in anderen Farben als uns. So kann er zum Beispiel nicht nur
die Farben von Objekten sehen, sondern auch deren Temperatur. Auch seine räumliche Wahrnehmung ist beachtlich, so hat ein
Kiroade stets ein dreidimensionales Bild von den Bewegungen innerhalb eines gewissen Umkreises um ihn selbt – egal wie klein
diese Bewegung ist.
Hören
Ein Kiroade hört seine Umwelt, indem er die Vibrationen des Erdreichs – und im geringeren Maße auch jener der Luft – mit seinem
gesamten Körper aufnimmt.
Seine Wahrnehmung von Geräuschen beschränkt sich demnach auf besonders niedere Frequenzen und laute Geräusche.
Schmecken
Kiroaden haben eine mundähnliche Öffnung. Es ist zu beobachten, wie sie über diese Mineralien, Erde und andere „Körperzutaten”
aufnehmen. Diese „Nahrungsaufnahme” ist ist zur Auffrischung der Körpersubstanz hin und wieder notwendig.
Allerdings nehmen Kiroaden weitaus öfter Mineralien zu sich als dies zur körperlichen Regeneration notwendig wäre. Tatsächlich
„naschen“ sie mit Vorliebe besonders „schmackhafte Steine, Mineralien oder Schlamm aus reiner Lust und Freude. Der Geschmack
wird mittels des Kristalls, der die Nahrung in den Körper bewegt, sobald sie aufgenommen wurde, in jeden Winkel des Körpers
transportiert. Das Schmecken ist für Kiroaden also ebenfalls ein Ganzkörpererlebnis.
Riechen
Kiroaden haben keine Nase und sind auch nicht vom Atmen der Luft abhängig. Sie können nicht riechen und haben auch keinen
Geruchssinn nötig.
Fühlen und Spüren
Sehr wohl können Kiroaden die Oberflächen von harten und griffigen Gegenständen, Umgebungen und Dingen fühlen – und dies sehr
genau: Beim Berühren einer Oberfläche kann sich die Handfläche nahezu exakt der berührten Oberfläche anpassen. Feine
Oberflächen wie Haare, Blumenstängel, Gras usw. können sie anhand ihres „Sehens“ zwar wahrnehmen, aber nicht wirklich spüren.
Wind wird nur dann gespürt, wenn er scharf und schnell ist, leichte Böen sind nicht spürbar.
Hitze und Kälte sind sehr wohl spürbar, denn sie geben bzw. entziehen dem Kristall Energie. Den kleinsten Unterschied von
Temperaturen können Kiroaden erspüren, denn dies kann lebensnotwenig sein. Sind Kälte und Wärme extrem, verspürt der Kiroade
Schmerz.
Allgemein fühlt ein Kiroade körperlichen Schmerz: immer dann, wenn Teile des Kristalls extremen Bedingungen ausgesetzt sind
oder zerstört werden.
Kiroaden erspüren zudem feinste Erschütterungen im Erdreich. Jegliche Vibration wird von ihnen wahrgenommen.
Kommunikation
Untereinander kommunizieren Kiroaden auf viele Weisen: Subtile Gefühle werden vor allem über die Kristallstruktur auf der Haut
zum Ausdruck gebracht. Was für einen Menschen nur schönes Schimmern ist, vermag einem Kiroaden viel über den Gemütszustand
seines Gegenüber zu verraten.
Weiterhin können Kiroaden mit dem gesamten Körper Brummtöne produzieren, die erstaunlich variabel moduliert werden können. Auf
diese Weise entspinnen sich Gespräche zwischen Kiroaden, die einem menschlichen Beobachter wie wunderschöne vielstimmige
gesummte Choräle vorkommen werden. Kiroaden sind in der Lage, erstaunlich vielfältige Töne und Laute mit diesem Brummen zu
erzeugen, was sie mit reichlich Übung sogar dazu befähigt, Sprachen anderer Völker, die über Stimmbänder verfügen, halbwegs
verständlich nachzuahmen. Allerdings werden sie niemals in der Lage sein, Zisch- oder Hauchlaute zu artikulieren. Sie können
diese ja noch nicht einmal wahrnehmen!
Regeneration und Heilung
Der Körper eines Kiroaden ist zwar vergleichsweise hart und stabil, doch nagt der Zahn der Zeit und die Kräfte der Erosion
beständig an ihm. Es bedarf einer fortlaufenden Regeneration.
In Hitze und Sonne wird die Erdmasse des Körpers trocken und spröde. Selbst fortwährende Feuchtigkeit in der Umgebung des
Kiroaden könnte das Austrocknen nicht verhindern. Ein ausgiebiges Bad in Tümpeln voll dicken Schlamms sorgt für ausreichende
Befeuchtung. In den Städten der Kiroaden gibt es weitläufige Anlagen solcher „Heiliger Bäder“ genau für diesen Zweck.
Kurze Zeit in ruhigen Wassern kann der Körper eines Kiroaden überstehen. Allerdings zehrt das Wasser an seiner Substanz und
bei starken Strömungen wird sie ihm gar abgerissen. Da es darüber hinaus immer wieder passiert, dass alte Erde abfällt oder
abgerissen wird, ist die „Vereinigung mit Muttererde” eine fast rituelle Regeneration. Alle fünf Wandeljahre im Leben eines
Kiroaden fügt er seinem Körper jene Erde hinzu, aus welcher er einst geschaffen wurde. Ein freudiges Ereignis und darüber hinaus
lebensnotwendig.
Doch der Regeneration dienlich ist jegliche Erde, Wurzeln, Steine und andere Materialien. Sie werden dann aufgenommen, wenn der
Kiroade es für nötig hält.
Doch was passiert, wenn dem Kiroaden ein größeres Unglück passiert ist (die obigen Angaben beziehen sich ja lediglich auf
kleine Verluste)? Wenn dem Kiroaden ein größeres Körperstück abgeschlagen wurde, also die Kristallstruktur weitgehend
beschädigt wurde, gibt es dafür generell keinen Ersatz. Zwar kann sich jener Kiroade aus Erde ein neues Körperteil modellieren,
allerdings wird dieses niemals mehr beweglich sein, da die Kristallstruktur nur in begrenztem Maße regenerationsfähig ist.
Die „Hauptadern“ der Struktur können unmöglich wieder nachwachsen, sollten sie einmal beschädigt sein, im Gegensatz zu
oberflächlichen Verletzungen kleinerer kristalliner Strukturen.
Entstehung und Geburt
Ein Kiroade kann sich zwei mal im Leben – zur Mitte und zum Ende seines eigenen Lebens – einen Nachkömmling erschaffen. Da es
keine unterschiedlichen Geschlechter unter ihnen gibt, ist jeder Kiroade dazu befähigt. Wenn ein Kiroade den Drang verspürt,
einen Nachkömmling zu schaffen, wächst ihm eine zweite kristalline Struktur auf seiner Hautoberfläche heran. Dieser Vorgang
ist äußerst energieaufwendig und der „schwangere“ Kiroade nimmt verstärkt nahrhafte Mineralien zu sich. Hat sich die neue
Kristallstruktur nach einer Wachstumszeit von etwa drei Monaten vollständig entwickelt, begibt der Kiroade sich mit ihr in
ein „Bad heiliger Erde“ – als Außenstehender würde man es Tümpel oder Schlammloch bezeichnen.
Diese als „Muttererde“ bezeichnete Erde wird vom erschaffenden Kiroaden angereichert mit allerlei Mineralien und Zutaten, die
für die Wesensbildung des neu erschaffenen Kiroaden sorgen sollen. Die neue Kristallstruktur löst sich nun vom Körper des
erschaffenden Kiroaden und kann nun vollends erblühen und den Tümpel verlockend schimmern lassen. Diese Schönheit vergeht
jedoch nach etwa zwei Wochen und alsbald scheint der nun austrocknende Tümpel für weitere drei Monate vergessen brachzuliegen.
Nach dieser Zeit kehrt der erschaffende Kiroade zum Tümpel zurück, gräbt seinen Nachkommen aus und beginnt mit eigenen Händen
und mit eigener Kraft aus der Erde einen Körper zu formen. Dabei läßt er sich viel Zeit; viele Kiroaden brauchen Monate, um
ihren Nachkommen zu vollenden und irgendwann kehren zwei Kiroaden vom Tümpel zurück. Wahrlich eine wundersame Geburt, deren
Geheimnisse bei anderen Völkern noch nicht annähernd gelüftet sind.
Tod und Vergehen
Der natürlichste Tod eines Kiroaden sieht derart aus, daß die Kristallstruktur mehr und mehr ermüdet, unbeweglicher wird und
allmählich ihre Substanz nicht mehr halten kann, sodaß die Erde vom kristallenen Skelett nach und nach abbröckelt. Mit Fortlauf
dieses Alterungsprozesses verlassen den Kiroaden seine gesamten Fähigkeiten. In der Kultur der Kiroaden hat es sich eingebürgert,
ab einem gewissen Zeitpunkt diesem Verfall selbst nachzuhelfen, da es gewiss nicht angenehm ist, langsam zu verfallen.
Bei Kämpfen oder Unglücken stirbt der Kiroade nur, wenn mehr als 45% seines Kristalls zerstört sind. Dann schafft der restliche
Kristall es nicht mehr, seine Aufgaben zu erfüllen und zieht sich langsam zurück. Führwahr auch kein schöner Tod.
(ps, me)
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