Die Rodhrain legen eindrucksvoll Zeugnis davon ab, zu welch außergewöhnlichen und unglaublichen Konzepten sich die Schöpfung mitunter versteigt, aber auch davon, wie selbst die verrücktesten Kapriolen der Natur auf künstlichem Wege noch mehr auf die Spitze getrieben werden können.
In der wildlebenden Form sind die Rodhrain, die in den Sümpfen und Brackwasserlagunen der Nordküste Aihlanns leben, im ausgewachsenen Zustand für Krebse recht große Exemplare von etwa eineinhalb Ellen Länge.
In ihrer Entwicklung machen Rodhrain drei Stadien in drei unterschiedlichen Lebensräumen durch: Ihr erstes Lebensjahr verbringen sie als winzige Krebschen, die zu tausenden in Schwärmen durch die brackigen Tümpel und Lagunen ziehen, wobei ein großer Teil Fischen, Seevögeln und anderen Räubern zum Opfer fällt. Haben die kleinen Krebse etwa die Länge eines Fingers erreicht, krabbeln sie an ausgewählten Stellen an Land, nämlich dort wo Rhainnynbäume wachsen. Diese breit gefächerten Bäume mit ihren weit auslaufenden Wurzelstämmen sind nun wahrlich keine Seltenheit in dieser Gegend, jedoch auch nicht allzu häufig zu finden, bevorzugen sie doch einen Standort an der Küstenlinie, sogar ein kleines Stück davor, halb im faulig brackigem Wasser stehend, mit verfilztem ausgefächertem Blätterdach. Die an Land gegangenen kleinen Rodhrain klettern nun am Stamm eines Rhainnyn hinauf und verbringen die nächste Zeit in seinem Wipfel, sich von seinen Blättern und Früchten ernährend.
In dieser Zeit verändert sich der Körperbau eines Rodhran zusehends: Sein Kopfbrustpanzer streckt sich schmal und schlank, so dass sich der nur noch kleine Kopf mit den Stielaugen und den im Verhältnis zur Körpergröße winzigen Scheren wie an einem langen starren Hals weit entfernt vom restlichen Körper befindet. Lediglich eines seiner Beinpaare wandert zumindest bis zur halben Länge des Halses mit nach vorne. So klammert sich ein Rodhran mit seinen hinteren Beinen im Geäst fest, während er mit seinem Hals weit in die Blätter hineinreicht und diese mit den Scheren herunterzupft und abweidet. Auch an den Blüten macht sich der Rodhran zu schaffen, klettert im Baum umher und dient somit auch der Bestäubung und Befruchtung der Blütenstände. Gemächlich in den Baumkronen krabbelnd und diese niemals verlassend verbleibt ein Rodhran dort so lange, bis er seine volle Größe erreicht hat, was in der Regel im zweiten Frühling, nachdem er den Baum betreten hat, der Fall ist.
Ist ein Rodhran schließlich völlig ausgewachsen, hat sich seine Körperform noch weiter verändert: Das Beinpaar, das auf halbe Strecke den Hals nach vorne gewandert ist, wird von einem starren und steifen Panzer umgeben und verliert jegliche Gelenkigkeit. Die selbe Transformation macht das hinterste Beinpaar durch, so dass nur noch drei bewegliche Beinpaare übrig bleiben, mit denen ein Rodhran mit seinem stark gebeugten und kopflastigen Körperbau sich so gut wie überhaupt nicht auf ebener Erde fortbewegen könnte. Jedoch ist genau diese abstruse Körperveränderung genau darauf ausgelegt, eben dieses zu ermöglichen.
Ein Rhainnynbaum bringt eine Art extrem hartschaliger scheibenförmiger Nüsse als Früchte hervor, die lange Zeit am Baume reifen müssen. Ein jeder Rodhran scheint sich zwei solcher Früchte als besondere Lieblingsobjekte auserkoren zu haben. Ist die Zeit gekommen, der Rodhran ist ausgewachsen und die Frucht zu praller schwarzglänzender Reife gelangt, wird sie mit den Scheren von ihrem Ast gezwackt und fällt hinunter. Dann macht sich der Rodhran hinab von seinem Baum und sammelt seine beiden Früchte ein, klemmt sie mit seinen beiden starren Beinpaaren unter sich und beginnt mit dem allerletzten Wechsel seines Panzers. Dabei schmiegt sich sein Körper genau um die eingeklemmten Früchte und passt sich ihrer Form perfekt an.
Ist der neue Panzer schließlich ausgehärtet, haben wir tatsächlich einen Krebs mit Rädern vor uns, der sich mit seinen verbliebenen drei beweglichen Beinpaaren abstößt und ansonsten frei rollen lässt.
Die auf diese Art und Weise mobil und ausgesprochen schnell gewordenen Rodhrain verbringen nun ihre Zeit damit, über Strand und Stock und Stein zu flitzen, immer auf der Suche nach anderen Rodhrain, die einem anderen Baum entstammen, um sich mit ihnen zu paaren. Ausgewachsene mit Rädern ausgestattete Rodhrain sind permanent in Paarungsstimmung und mit so ziemlich jedem Rodhran des anderen Geschlechtes, dessen Weg gekreuzt wird und dessen Verwandtschaftsgrad weit genug entfernt ist, um Inzucht auszuschließen, wird die Paarung vollzogen. Die Weibchen speichern auf diese Art und Weise den Samen einer ganzen Reihe männlicher Krebse für die später stattfindende Befruchtung ihrer Eier.
Auf ihren Rädern legen die Rodhrain beachtliche Strecken zurück – schließlich befinden sich die einzelnen Kolonien der Rhainnynbäume mitunter weite Strecken voneinander entfernt – und dass ihre Räder dabei enorm beansprucht werden, ist nicht zu vermeiden. Ein Rodhran, dem ein Rad gebrochen ist, ist nahezu unbeweglich und dem Hungertode geweiht. Nahrung nehmen diese Krebse auf Freiers„rollen“ ohnehin kaum noch zu sich. Der Kopf befindet sich zwar kurz über dem Boden und die Scheren sind eifrig drum bemüht, alles, dessen sie habhaft werden können, den Mandibeln zuzuführen, doch mehr als karge Strandgräser bekommt ein Rodhrain dann nur noch selten zu fressen. Völlig verausgabt und mit gebrochenem Rad schleppen sich schließlich die Weibchen ans Ufer und entlassen ihre Eier, die sie nun mit den gespeicherten Samenpaketen befruchten, ins Wasser, woraufhin sie kurz darauf verenden. Aus der aufgeplatzen Frucht kann nun ein neuer Rhainnynbaum wachsen.
Es scheint kaum verwunderlich, dass dieses System der gegenseitigen vollkommenen Abhängigkeit von Baum und Krebs einen besonderen Eindruck auf Denker in Aihlann macht und ebenso ist es kaum verwunderlich, dass ebenjene Denker sich daran machten, sich die Eigenheiten der Rodhrain nutzbar zu machen:
Ein Tier, das auf Rädern läuft und dabei erstaunliche Geschwindigkeiten erreicht – warum sollte es nicht möglich sein, daraus eine größere Version zu züchten, die als Reittier dienen könnte?
Und so entstanden in den Städten Balwyn und Flewdur Zuchtstationen, die dieses ehrgeizige Ziel verwirklichen sollten. Nach etwa 50-80 Jahren gezielter Zuchtarbeit – sicherlich auch unterstützt durch vereinzelte Manipulationen magischer Natur – erreichte man schließlich etwa 2,5 Schritt lange Exemplare, auf denen ein Aihlinn bequem Platz findet. Als Räder dienen mittlerweile natürlich keine Rhainnynfrüchte mehr, sondern richtige gezimmerte, hölzerne und bronzebeschlagene Speichenräder.
Erreicht wird diese Größe dadurch, dass bei den neu gezüchteten Exemplaren Wachstum und Panzerwechsel mit dem Anlegen des ersten Reifenpaares nicht mehr nachlässt. So werden den Tieren nach und nach immer größere Räder angepasst, sie werden gut mit Nahrung versorgt, so dass sich die Verausgabung in Grenzen hält und unter Aufsicht kein Rodhran mehr zum Hungertod durch Unbeweglichkeit verdammt ist. Die permanente Paarungsbereitschaft der rollenden Rodhrain hat man ihnen allerdings noch nicht hinfort züchten können.
Trotz der bislang guten Zuchtergebnisse sind Rodhrain in Aihlann noch lange kein alltägliches Reit- und Transporttier geworden. Vornehmlich im Kurier- und Botengeschäft werden sie eingesetzt, überall dort, wo weite Strecken in kurzer Zeit zurückgelegt werden müssen. Zum Zugtier sind sie überhaupt nicht geschaffen, als Packtier eignen sie sich allerdings recht gut. Zu einem Einsatz im Kampfe kann nicht vorbehaltlos geraten werdem, da ein Rodhran zwar schnell, aber keineswegs wendig ist und seinen Schnelligkeitsvorteil nur auf flachem und offenem Gelände voll ausspielen kann.
Vom Gemeinen Manne werden Rodhrain bisher kaum eingesetzt. Zu aufwendig und anspruchsvoll sind sie in Unterhalt und Versorgung. Auf saftig grünen Wiesen und Weiden finden sie wesentlich bessere Nahrung, als nur karge Strandgräser, doch wo sich solcherlei Weidegrund nicht bietet, sind sie auf Futtergaben ihres Reiters angewiesen. Ebenso besteht immer wieder die Gefahr eines Radbruches, und wer mitten auf dem Weg von Marhim nach Gwynythreth in den Hügeln des Blyth weitab jeglicher Siedlung eine Radpanne hat, kann wohl nichts weiter tun, als seinem Rodhran den Gnadenstoß zu versetzen.
In letzter Zeit bauen die Rodhrain-Zuchtstationen ein Netz aus Reparaturwerkstätten an den wichtigsten Routen auf, ebenso wie in jüngster Zeit mehr und mehr mobile Reparatur-Patrouillen – weithin erkennbar an ihren schwarz-gelben Wimpeln und Satteldecken – ihre Kontrolltouren an bestimmten Streckenabschnitten fahren. Ein sicheres Anzeichen dafür, dass die Verwendung der Rodhrain als Reittier immer stärkere Verwendung findet.
Der Rodhran als Reittier
Wie erwähnt zeichnen sich Rodhrain besonders durch ihre Schnelligkeit aus. Solange kein potentieller Begattungspartner in der Nähe ist, sind sie zudem noch äußerst folgsam und lassen sich leicht steuern durch leichte Zügel, die an der Basis ihrer Fühler befestigt sind. Durch ihre permanente Paarungsstimmung gebärden sie sich in Gegenwart des anderen Geschlechtes jedoch wild und ungestüm und sind nicht zu zügeln. Mitunter kommt es vor, dass sich ein ganzes Rudel von Männchen regelrecht um ein Weibchen prügelt – Beschädigungen der Räder sowie gebrochene Beine und allgemein völlig verausgabte Tiere sind dabei vorprogrammiert. Um diesem Risiko zu entgehen, sind nahezu alle Rodhrain, die sich auf den Straßen Aihlanns bewegen, männlichen Geschlechts. Die kostbaren Weibchen werden in den Zuchtstationen gehalten.
Wer auf einem Rodhran Platz nehmen will, tut dies entweder, indem er sich ganz normal auf seinen Rücken setzt und die Füße in den zahlreichen Beulen und Vorsprüngen des Panzers festhakt, oder indem er sich wagemutig bäuchlinks und Kopf voran auf seinen Rücken legt. Letztgenannte Stellung empfiehlt sich, wenn man den Rodhran seine ganze Schnelligkeit ausleben lassen möchte. Auf den Rennbahnen der großen Städte sieht man die Reiter nur so auf ihren Rodhrain liegen.
Die Beziehung zwischen Rodhran und Reiter muss zwangsläufig eine tiefe und feste sein, schließlich ist ein Rodhran in vielen Punkten von seinem Reiter abhängig: Da sich seine Augen knapp über dem Boden befinden, ist sein Gesichtsfeld reichlich eingeschränkt. Zwar nehmen seine unentwegt durch die Gegend wedelnden Fühler eine Reihe akustischer Signale auf, die für den Rodhran wichtiger zu sein scheinen als visuelle Informationen, doch hat der Reiter einen größeren Überblick und mag ihn vor Gefahren wahren, ebenso wie er ihn mit Nahrung und Trank versorgt und – besonders wichtig – seine Räder ständig in Schuss hält. Im Gegensatz zu ihren kleinen wild lebenden Verwandten, die nur ein halbes Jahr in ihrer rollenden Form überleben, kann ein gut gepflegter Rodhran bis zu 10 Jahre alt werden.
Weiterhin ist dem Rodhran sein Reiter ein wichtiger Schutz, denn ein Rodhran ist doch verhältnismäßig hilflos Angriffen ausgeliefert und kann sich kaum zur Wehr setzen, höchstens durch kräftige Tritte oder Überroll-Attacken. Auch seine geringe Wendigkeit zrägt zur Verletzlichkeit bei. So sollte sich jeder Rodhranreiter der Verantwortung bewusst sein, die er für sein Tier trägt.
(fa, me)
TK | AT | PA |
KO | RS | TP |
GS | AU | MR |
AR | EP | Preis |
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50+2W8 | 70 | 30 | 50+4W6 | 5 | 2W6+5 | 15 | 500 | 0 | 50+3W8 | 22 | 8 GS | unerfahren | +15 | 85 | 30 | +W10 | 5 | 2W6+7 | 15 | 500 | 5 | 20+2W12 | 22 | 30 GS | erprobt |
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