In Nen'ya berichtet man von schwimmenden Bäumen, die in den Gewässern der Totensee und des Palanthischen Ozeans schwimmen und bisweilen bis an die Küste treiben. Es heißt, sie kündeten von Unheil mit ihren verdrehten Ästen und man glaubt, in ihren Segeln fangen sie die Seelen der Toten.
Es handelt sich bei diesen schwimmenden Bäumen um verholzte Schlingpflanzen, die nur in Salzwasser gedeihen. Das Wurzelgeflecht verwächst sich derart, dass ein schwimmfähiger Unterbau entsteht, mit dem die Ain’zea in salzigen Gewässern treiben. Auch der Stamm erhebt sich über dieser Schwimmwurzel als in sich verdrehte einzelne Stämmchen. Sie werden von weiteren Luftwurzeln gestützt, so dass sich ein kleinteiliger, aber insgesamt doch stabiler „Baum“ ergibt.
Die glatten, lederartigen Blätter sind ungeteilt und ganzrandig. Sie ordnen sich paarweise an der Unterseite der Zweige an, was dem Bäumen bisweilen ein eher kahles Aussehen beschert. Die blassweißen Blüten erscheinen eher unauffällig zwischen den dunkelgrünen Blättern. Die Rinde ist dunkel, fast schwarz und am unteren Teil mit Salzablagerungen bedeckt.
Bauminseln als Lebensraum
Durch den hohen Salzgehalt bieten die schwimmenden Bauminseln nur spezialisierten Pflanzen und Tieren Lebensraum. Normales Leben ist nur in der weniger belasteten oberen Schicht – in der Krone – der Ain’zea zu erwarten. Vögel nutzen die Bäume als Ruheposten bei Flügen über dem Meer, ansonsten beschränkt sich das Tierleben auf Insekten, Weichtiere und Spinnen. Auch andere Pflanzen siedeln sich in der Hauptsache auf den obere Zweigen der Bäume an, hauptsächlich Moose und Aufsitzerpflanzen.
Fesselgras (auch Fanggras oder Todeshaar)
Eine fleischfressende Graspflanze, die nahezu symbiotisch mit den schwimmenden Bäumen zusammenlebt. Es handelt sich dabei um eine Grassorte, deren Blätter und Blattansätze mittels einer besonders festen Oberhaut der salzigen Umgebung widerstehen können. Der Salzschutz geht jedoch auf Kosten der Fähigkeit zur Photosynthese, so dass der Nährstoffbedarf anders gedeckt werden muss. – Das Fesselgras bildet dazu eine Vielzahl langer, dünner Wurzelhaare aus, die durch das Wurzelgeflecht des Baumes bis in tiefes Wasser reichen. Diese sind mit zahlreichen winzigen Nesselfäden besetzt, die kleine Fische, Krebse und andere Wassertiere lähmen und festhalten können. Das Fanggras nimmt die tierischen Nährstoffe direkt durch die Wurzelfäden auf, aber auch der schwimmende Baum profitiert durch das erhöhte Nährstoffangebot in seinem Wurzelbereich.
Salzflechte (auch Salzbiss oder Schrumpeltod)
Es handelt sich dabei um eine Lebensgemeinschaft aus Pilzen und Algen, die bisweilen auf den schwimmenden Bäumen zu finden ist. Sie bevorzugt dabei die wurzelnahen Bereiche der Ain’zea, wobei sie deren hohen Salzgehalt problemlos toleriert. Die Flechte bildet ein bleiches, netzartiges Geflecht, das Wurzeln und Stammansatz überzieht und auf der dunklen Rindenoberfläche leicht von weitem erkennbar ist. Selten werden kugelig graue, weißrandige Fruchtkörper gebildet. Als Reaktion auf den unwirtlichen Lebensraum – oder als Schutz vor Schnecken, Weichtieren und Insekten – enthält die Pflanze ein hochwirksames Gift. Selbst bei Menschen wirken geringe Dosen tödlich, allein Berührungen führen zu Hautreizungen und Ausschlägen.
Segelspinne
Diese Spinnenart kommt sowohl auf Uferpflanzen, als auf den schwimmenden Bäumen vor, wobei sie an Land jedoch kaum beachtet wird und in großer Zahl Fraßfeinden zum Opfer fällt. Die Spinnen erreichen die Bauminseln mithilfe der Kokons, aus denen die Jungtiere schlüpfen. Diese Kokons, die ganze Gelege enthalten können, sind stabil und schwimmfähig und treiben auf dem Meer, bis sie günstige Schlupfbedingungen finden (Hauptsache die erforderliche Trockenheit für die Jungspinnen) und können so große Entfernungen überbrücken.
Die Segelspinnen weben im Kollektiv großflächige Netze zwischen den Ästen der schwimmenden Bäume, um Insekten, Pollen und Samen, Kleintiere und sogar fliegende Fische zu erbeuten. Diese Netze der eher unscheinbaren Spinnen haben eine zweifelhafte Bekanntheit erlangt, da sie bei besonderen Lichtverhältnissen – Sonnenauf- oder Untergang, Zwielicht, Dunst oder Nebel – wie unheimliche Segel in den ohnehin verrufenen Bäumen wirken (natürlich ist das Aberglaube, da die Netze keinesfalls als Segel geeignet sind).
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Durch die Ausbildung eines tragfähigen Wurzelgeflechtes hat die Pflanze die Fähigkeit zu schwimmen. Tatsächlich treiben die meisten dieser Pflanzen als kleine Inseln mit jeweils einem oder einer kleinen Gruppe Bäume auf dem Meer. Lebensnotwendig sind ein gewisser Salzgehalt des Gewässers und Temperaturen, die nie unter den Gefrierpunkt sinken, weshalb die schwimmenden Bäume an der Ostküste Espers zwischen Kap Levan im Norden und der Pelbucht im Süden anzutreffen sind. Die Pflanzen sind dabei ganz den Strömungen und Winden überlassen, treiben an den Inseln Latallands, Kals und Ad-il Myts vorbei nach Norden bis an die Halbinsel Lir, wo sie vermehrt nordöstlich ins offene Meer hinaus treiben. Oder sie treiben südlich von Ilais in den lakischen Meerbusen, an Lom vorbei in die Totensee, wo sie sich verstärkt sammeln. Besonders häufig sind sie vor den Küsten Nen‘yas anzutreffen, wo sie von der trägen Rames-Strömung angetrieben werden. Durch die Abhängigkeit von Winden und Strömungen sind die Ain’zea und ihre schwimmenden Inseln in besonderem Maße Meer und Gezeiten ausgeliefert. Ihre Wuchsform ist jedoch so ausgebildet, dass sie hohen Seegang und auch stärkere Stürme ohne größere Schäden überstehen. Abgerissene Wurzeln und Äste wachsen nach, sofern der zentrale Wurzelsporn nicht verletzt wurde. Des weitere wird berichtet, dass nach einem kompletten Kentern der Bäume der Wurzelsporn eine neue Stammform ausbildet, während sie die ehemaligen Oberteile und Luftwurzeln zu neuem Wurzelgeflecht umbilden. Die Pflanze lebt damit „auf dem Kopf stehend“ weiter.
Eine weitere Besonderheit ist neben der Schwimmfähigkeit, dass die Wurzeln und Stämme der Pflanze das Salz des Meerwassers filtern und ausscheiden. In den oberen Stammteilen, Ästen und Zweigen entspricht der Salzgehalt dem normaler Landpflanzen – aus frischen Trieben könnte man sogar Trinkwasser gewinnen. In den unteren Pflanzenteilen, insbesondere in den Wurzeln, ist der Salzgehalt jedoch nahezu lebensfeindlich hoch. Über Salzdrüsen an den Wurzeln wird das überschüssige Salz ausgeschieden, so dass sich um den schwimmenden Baum eine hochkonzentrierte Salzlösung bildet. Es heißt, dass ein schwimmender Baum, der ans ans Ufer treibt, jegliche Vegetation um ihn herum durch die hohe Salzkonzentration abtötet. Der Baum selbst findet keinen Halt mehr und treibt zurück aufs Meer, während seine ehemalige „Landungsstelle“ als toter, lange unfruchtbarer Ort zurückbleibt.
Die Ain’zea sind zweigeschlechtlich und lebendgebärend. Die Samen wachsen noch an den Zweigen der Mutterpflanze zu fertigen, schwimmfähigen Sprösslingen heran. Sobald diese ihre Entwicklung abgeschlossen haben, werden sie ins Wasser abgeworfen und treiben allein auf dem Meer weiter, ohne für ihr weiteres Wachstum auf festen Grund angewiesen zu sein.
Die schwimmenden Bäume haben dabei einen recht langsamen Lebenszyklus. Sie wachsen langsam und blühen nur in großen Abständen. Die Samen benötigen ihrerseits eine lange Reifezeit, insbesondere, da sie bis zu einer fortgeschrittenen Entwicklungsstufe am Mutterbaum verbleiben.
Verwendung:
Da die schwimmenden Ain’zea auf dem Meer schwer erreichbar sind und ohnehin nicht in großer Zahl vorkommen, kann man nicht von einer wirtschaftlichen Nutzung der Pflanze sprechen. Gemeinhin wird die Pflanze als nutzlos angesehen, wenn nicht sogar als Hindernis für die Schifffahrt.
Das Holz der schwimmenden Bäume brennt schlecht und ist aufgrund der verdrehten, kleinteiligen Wuchsform auch nicht zur Holzverarbeitung im großen Stil geeignet. Das Holz ist hart und von ebenso dunkler Farbe wie die Rinde. Mit ausreichender Erfahrung und Übung lassen sich daraus aber hübsche und haltbare Schnitzereien anfertigen, die von keinem Holzwurm oder anderen Schädlingen berührt werden.
Die Salzflechten werden vereinzelt ihres Giftes wegen gesammelt (Vorsicht, Hautkontakt vermeiden!). Dazu wird die getrocknete Pflanze zermahlen und unter Speisen bzw. Getränke gemischt. Das reine Gift kann jedoch auch auf alchimistischen Wege aus der Flechte gelöst werden und ist dann ein kostbarer und begehrter Grundstoff in Alchimie und Heilkunde.
Das Salz, das an Wurzeln und Stammansatz ausgeschieden wird, erhält durch die Filterung der Pflanze einen besonderen, bitter-scharfen Beigeschmack. Menschen vertragen dieses Salz gewöhnlich nicht sehr gut und reagieren mit Magen-Darm-Beschwerden – bei Iadnern und Lathan gilt es jedoch als Delikatesse. Es sollte beim Ernten des Salzes jedoch unbedingt darauf geachtet werden, keine Teile der giftigen Salzflechten mit einzusammeln. Häufig wird jedoch einfach grobes, mehr oder weniger verunreinigtes Meersalz als Ain’zea-Salz angeboten.
Aberglaube und Volksdichtung:
Es gibt eine Vielzahl von Geschichten und Legenden, die sich um die Geheimnisse der schwimmenden Bäume ranken. In den meisten werden die fremden und unheimlichen Bäume als Todesbringer bezeichnet. Die schwarzen, wenig belaubten Äste werden als verdrehte, tote Gliedmaßen gesehen, als Hände, die nach Opfern greifen und sie ihrer Seelen berauben. Auch die Netze der Segelspinnen passen in diese Geschichten, da sich die Totenbäume einerseits mit ihrer Hilfe fortbewegen und andererseits in ihren Schleiern die Seelen fangen und festhalten. Es heißt auch, die so gefangenen Seelen und Totengeister werden in den Baum eingeschlossen. Nur ihr Haar treibt frei im Wasser zwischen den Wurzeln – und bildet seinerseits eine tödliche Falle, weil es sich um alles schlingt, dass in seine Nähe kommt. Es gibt Seeleute, die allein beim Anblick eines Ain’zea in Panik ausbrechen und schleunigst den Kurs wechseln, um ihm ja nicht in seine Nähe zu kommen.
Es gibt aber auch anderer Seefahrergeschichten, in denen die schwimmenden Inseln Rettung für Schiffbrüchige wurden. Verloren in den Weiten des Meeres, bieten die Bäume Halt, und wenn die Winde günstig stehen, auch einen Weg zurück an die Küste. Es heißt, ein solcher Unglücklicher habe sogar einmal mehrere Wochen auf einem Ain’zea ausgeharrt, indem er Wasser aus den oberen Astspitzen presste und sich von gefangenen Fischen und Krebsen ernährte.
(me, vinni)
Probe: | -20 |
Verbreitung: | Tropische und subtropische Küsten und offene Gewässer des Solischen Ozeans, Drachenmeeres, Worolmeeres, der Akalsee, des Lakischen Meerbusens, der Totensee und der Pelbucht |
Vorkommen: | Offenes Meer (selten), Meerengen, Buchten (gelegentlich) |
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