Die Inseln des Ewigen Krieges
Nördlich der ilaischen Hauptinsel vorgelagert befinden sich die Inseln
des Ewigen Krieges, wie sie schon seit Tausenden von Jahren genannt
werden. Hier toben seit Anbeginn der Iadnischen Zeitrechnung nach dem
großen Beben die Schlachten zwischen Lathan und Iadnern, die blutig
Millionen von Lebewesen das Leben kostete.
Wegen der ständigen, kriegerischen Auseinandersetzungen mußten die Städte
der Inseln Dyais, Boclai, Gotlac und Dritclac - bis auf Dyalis - ständig
wieder neu erbaut werden, weil Schiffe beider Seiten in regelmäßigen
Abständen die Oberhand in dem Reich der Inseln gewannen und durch
Beschuß der schwimmenden Städte die meisten Angehörigen des gegnerischen
Volkes töteten oder vertrieben. Irgendwann im Laufe der letzten
zweitausend Jahre löste sich damit die Tradition auf, die Häuser auf
Schiffe zu setzen, weil die Gefahr, daß die Erde die Städte verschlang,
mit jedem Jahr geringer schien als die Versenkung durch gegnerische
Marineverbände. Somit zog man sich wieder auf das Land zurück.
Während sich in der Vergangenheit die Grenzen zwischen den Inseln stets
innerhalb von zehn bis zwanzig Jahren immer wieder verschoben, hält das
Krasireich Ilais schon seit mehr als hundertdreißig Jahren die vier
Inseln Dyais, Boclai, Gotlac und Dritclac im Reich vereint. Dies wird
voraussichtlich auf absehbare Zeit auch so bleiben, denn der Kampfeswille
gegeneinander hat nachgelassen. Es gilt die Akpotländer zu entdecken und
Kontakte zu möglichst vielen von ihnen aufzubauen. Der Krieg zwischen
den beiden Echsenreichen hat an Bedeutung verloren. Allerdings wird der
nach jahrtausendelangen Kämpfen aufgestaute Haß noch lange für Zündstoff
sorgen.
Alle vier Inseln stehen noch immer unter Militärverwaltung. Zwar darf
die Bevölkerung auch sogenannte Beiräte zu den Militärräten wählen, aber
die Macht, die damit verbunden wird, ist mehr als nur periphär. Ohnehin
ist das Militär hier sehr offensichtlich präsent und mit Sonderbefugnissen
ausgerüstet, die es zu einer ausgesprochen wirksamen Ordnungsmacht machen.
Die Verwaltung einer jeden Insel ist getrennt organisiert, wobei an der
Spitze ein lokaler Verwaltungsrat des Militärs steht. Der übergreifende
Militärrat aller Inseln ist direkt dem Krasi unterstellt.
Dritclac
Dritclac ist die westlichste und zugleich nördlichste der vier besetzten
Inseln - in unmittelbarer Nöhe zu gegnerischem Territorium. Sie besteht
aus sanften, hügeligen Graslandschaften, durch die Nomaden ihre
Tepplarherden treiben und die sich mit Moorwäldern und dichtem Buschwerk
abwechseln. Der Gebirgszug Kitomec, der bis auf schmale, hügelige Streifen
von zwischen fünfzehn und dreißig Kilometern an den Küsten den ganzen
Nordosten und das Zentrum der Insel vereinnahmt, ist die hauptsächliche
Wohlstandsquelle der dortigen Einwohner. Dort finden sich zahlreiche
Minen, die an Mineralen, Metallen und Rohstoffen alles zutage fördern,
was man sich nur wünschen kann. Dies liegt an der besonderen esperologischen
Struktur des Gebirgszuges und seiner vulkanischen Entstehungsgeschichte.
Die beiden höchsten Gipfel dieses Zuges sind die Vulkane Tokent und Nerkal
("Tod und Qual"), aus denen in kochend heißen Quellen der Fluß Cen
entspringt. Die Wasser dieses Flusses, die durch das schwammartige
Gestein der Quellregion pressen, tragen viele Metalle mit sich. In
kleinsten Siedlungen wird entlang des heißen Gewässers Gold aus den
Fluten gewaschen.
In dieser Region nahe der vulkanischen Krater der Insel liegen einige
Lager von latalländischen Kriegsgefangenen, die die Iadnischen Besatzer
in dortigen Metallminen bis zum Tode arbeiten lassen. Streng abgeschirmt
vom Militär, soll dem Volk vorenthalten werden, daß nicht nur Gold in
hohem Maße abgebaut wird. Zwar ist der dort lebenden Bevölkerung bekannt,
daß es große Kupfervorkommen in den Gesteinen des Vulkanes gibt, geheim
bleiben soll allerdings, daß nebst Kupfer auch Vorkommen an Eisen dort
liegen. In Anbetracht der Seltenheit dieses Metalles auf Esper ist dieses
Geheimnis wohlgehütet, selbst wenn die Ausmaße des Vorkommens noch nicht
geklärt sind. Sollte es nicht gelingen, diese bahnbrechende Entdeckung
für sich zu behalten, fürchtet die krasigliche Regierung, daß nicht nur
die Lathan wieder einen Krieg um Dritclac führen werden, um die Insel
unter ihre Kontrolle zu bringen. Auch einige umliegende Länder werden
sich fragen, ob sie es zulassen können, daß das Reich Ilais einen
derartigen militärischen Vorteil besitzt. Nachdem zwar im Akalseekrieg
Lathan, Kathalier und Sowolier gegen die Iadner unterlagen, herrscht zwar
ein gewisser Respekt vor den iadnischen Streitverbänden, doch die Habgier
oder das Verlangen nach einem neuen Gleichgewicht der Region wäre mit
Sicherheit stärker als die Angst vor einer militärischen
Auseinandersetzung. Es ist gewiß nicht das letzte Mal, daß diese Insel
von sich hören macht.
Weiter in Richtung Westen befindet sich ein kleiner karger Gebirgszug,
dessen Gestein schon von weitem erkennbar glänzt. Näher betrachtet
stellt man fest, daß das Gestein aussieht, als seien es übereinander
angeordnete und von einer großen Hitze verschmolzene Echsenpanzerschuppen.
Der etwa vierzig Meilen lange Berg ist völlig unbewachsen, nicht
einmal Flechten oder Moose scheinen Halt auf seiner glatten Oberfläche
zu finden. Er ist der Grund, warum die Insel den Namen Dritclac
(= Karsenthron) trägt, denn eine Legende besagt, daß sich hier einst ein
uraltes Karsen zum Schlafen niederlegte und während der Nacht von der
verängstigten Inselbevölkerung getötet wurde, indem sie ihm ein glühendes
Schwert in die Augen rammten.
In den weiten Graslandschaften, die dahinter liegen und den restlichen
Westen der Insel einnehmen, treiben die Steppennomaden ihre Tepplarherden
und ziehen von einer warmen Quelle zur nächsten. In den zahlreichen
Mooren und Mäandern kleiner, aus dem Boden sprudelnder Bäche, die kurz
darauf wieder unter der Oberfläche verschwinden, um an anderer Stelle
wieder aufzutauchen, finden sie genügend Nahrung und Wasser für sich und
ihre Herden. Wandert man etwa dreißig Meilen vom Karsenberg in Richtung
Nordwesten, so stößt man auf den zeitweilig sehr breiten Fluß Piogenok,
der seine ausnahmsweise kühlen Fluten vom nordöstlichen Gebirge zur
südwestlichen Küste Dritclacs lenkt.
Städte auf Dritclac
Tiegek
1.490 Einwohner
Tiegek ist die größte Stadt Dritclacs, und liegt an der Ostküste der
Insel. Dort mündet der Cen in die untiefenreichen Wasser des Blutmeeres,
das an die Gestade der großen nördlichen Inseln wogt. Weil das Gewässer
hier, gespeist von der Hitze des Flußes, noch immer sehr warm ist, hat
sich hier eine ganz besondere Pflanzenwelt unter Wasser entwickelt, die
einzigartige Tiere ernährt. Der größte dieser tierischen Vertreter ist
der Iomoc, ein Fisch, der eine Länge von bis zu drei Schritt erreicht
und einen Durchmesser von einem Schritt haben kann. Sein Fleisch ist eine
Delikatesse und die rauhe Nahrungsmenge beim Fang eines Iomoc reicht aus,
um eine zwölfköpfige Familie drei Wochen lang zu ernähren. Insofern klärt
dies auch, warum die Einwohner dieses Ortes fast alle ihrer Häuser mit
dem symbolischen Bild dieses Fisches versehen haben.
Ansonsten handelt es sich bei der Stadt um einen wichtigen militärischen
Stützpunkt der iadnischen Marine. Der vormals so kleine Hafen wurde zu
einer Festung ausgebaut und mit massiver Geschützverteidigung versehen.
Der Ort selbst ist damit allerdings nur geringfügig gewachsen, auch wenn
sich immer mehr Händler und Kaufleute, Handwerker und Waffenbauer hier
niederlassen, um ein wenig Geld an den Reisenden zu verdienen, die sich
auf Reisen in den fernen Norden begeben, und um von der Anwesenheit des
Militärs zu profitieren.
Kienuk
1.240 Einwohner
Der zweitgrößte Ort der Insel bettet sich in die Übergangszone zwischen
den Dünen und der beginnenden Hügel- und Graslandschaft ein. Hier gibt es
vor allem die großen Treibfarmen für Algen zu bewundern, die nicht nur
auf dem Grund der nur wenigen Meter tiefen Wasser des Schlachtenmeeres
angelegt wurden, sondern vielmehr in vielen Schichten übereinander
verschiedenste Algenarten beherbergen. Dabei wird mit großer
Aufmerksamkeit darauf geachtet, daß alle Pflanzen genügend Sonnenlicht
erhalten. Aus den verschiedensten Algenarten werden zahlreiche Güter
hergestellt, oftmals werden auch die Algen selbst teuer weiterverkauft.
Natürlich hat fast jede Stadt der Echsenwesen solche Algenfarmen im Meer,
doch hier liegen mit Abstand die größten und darüber hinaus werden die
hier angebauten Algen für ihre besondere Qualität sehr geschätzt. In
allen Dörfern dieser Insel gibt es Iadner oder Lathan, die aus den
Rohalgen, Fasern für Kleidungen herstellen, das traditionelle Algenbrot
oder den in den Akpotländern nicht nur wegen seines meerartigen
Geschmackes berüchtigten Algenschnaps.
Viele Tagelöhner aus dem ganzen Krasireich arbeiten hier unter Wasser,
um die ausgewachsenen Algen und Unterwasserpflanzen zu ernten. Zweimal
im Jahr werden so viele Krallen gebraucht, daß sich das ganze Reich in
Bewegung zu setzen scheint. Im Frühsommer wandern die Tellurc-Meerschlangen,
aus dem Solischen Ozean durch diese Gegend, um in der Akalsee ihre
Laichplätze aufzusuchen, im Spätsommer kehren sie zurück. Dabei handelt
es sich um derartige Massen, daß das Meer zu schäumen beginnt. In Massen
sind sie nicht nur eine Gefahr für die Algenbauern und ihre Tagelöhner,
sondern auch für die gesamten, angebauten Pflanzen, denn auch über diese
machen sie sich her. Daher wird zu diesen Wanderungszeiten im ganzen Land
krallenringend nach Freiwilligen gesucht, die sich unter Wasser der
Verteidigung der Anlagen stellen. Regelmäßig kommt dabei etwa ein zehntel
der Tagelöhner ums Leben, noch weit häufiger sind entsetzliche
Verstümmelungen an den Gliedmaßen. Dennoch melden sich stets wieder
zahllose Freiwillige, weil niemand dieser meist an Trockenalgen nagenden
Echsen sich den Lohn von einem iadnischen Goldkrasi (ungefähr 60 BS) an
diesen beiden Tagen des Jahres entgehen lassen will.
Tokut
890 Einwohner
Dort wo die letzte noch erkennbare Fernstraße des großen
Echsenwesen-Reiches mit ihrem breiten, schwarzen Band den Fluß aus dem
Westen kommend, kreuzt, ließen sich schon vor langer Zeit in den Ruinen
eines alten Dorfes, das wahrscheinliche in den Vorzeiten an einem Paß
lag, Nomaden nieder. In dieser natürlichen Schnittstelle zwischen dem
Ost- und dem Westteil der Insel entstand ein Markt- und Handelsplatz für
die im Osten produzierten Güter und dem Fleisch der Nomadenherden. Der
Ort ist inzwischen ein wenig über die Ausmaße des untergegangenen
Gebirgsdorfes hinausgewachsen, doch so gut die Baumeister auch versuchten,
die Mauern der alten Gebäude nachzuziehen, ist der Unterschied doch stets
deutlich sichtbar. Die nach Westen verlaufende Straße aus grauer Vorzeit
ist bis heute in einem unglaublich guten Zustand erhalten geblieben. Ihr
glänzendes Band ist von weitem in der morastigen Graslandschaft zu
erkennen. Wohin sie führen mag, wenn sie an der Westküste in die Fluten
des Meeres eindringt, ist bis heute nicht geklärt. Natürlich ranken sich
auch hier Legenden um versunkene Städte auf dem Grund des Meeres, aber
auch Taucher der krasiglichen Marineflotten konnten nur bis zu einer
Tiefe von etwa 60 Aik den Verlauf der Straße nachvollziehen (Ein Aik
entspricht einem Lot von 1,5 Schritt Länge). Bis dahin - und dabei
handelt es sich immerhin um 20 Meilen in die See hinein - stieß man auf
keine weiteren Spuren einer Siedlung.
Gotlac
Der Name dieser Insel, die südöstlich von Dritclac liegt, zwischen Dritclac
und der ilaischen Hauptinsel, spricht schon Bände, denn mehr als das, was
Gotlac bedeutet, findet sich hier nicht - eine geröllige Steinwüste, ein
Ödland. Dieses Ödland ist 120 mal 90 Meilen groß und verfügt mit Rzitoc
über nur eine Siedlung an der Nordwestküste.
Hervorgerufen durch die dauerhaften Ascheregen aus den Schlünden der
beiden größten Vulkane dieser Insel, die stetig ihre Form verändern, faßt
nur kärgliche Pflanzenwelt an verschwindend wenigen Stellen des
äußersten Westens und Nordens Fuß. Die übrige Insel ist mit Geröll der
verschiedensten Gesteinsarten bedeckt, die die Vulkane meilenweit von
sich davonschleudern. Oftmals schlagen sogar noch glühende Brocken in der
Ebene auf und zersplittern in mehrere dampfende Bestandteile. Malerisch
ist hingegen der Anblick der Insel im Sonnenauf- beziehungsweise
Sonnenuntergang, die verschiedenen Gesteine scheinen im feurigen Licht
unterschiedlichste Farben anzunehmen und verleihen der Insel das Panorama
einer fremden, fernen Welt.
Die schroffen, bedrohlichen Silhouetten der Vulkane, die inmitten der
Insel mit einem Durchmesser von sechzig Meilen aufragen, sind von
überallher zu sehen. Das Duo der beiden Vulkane wird Hakninoda genannt
- die Steinwerfer. In breiten Tunnels unter der Inseloberfläche
transportieren die Vulkane ihr flüssiges Gestein zu den Küsten -
gleichsam blutiger, glühender Flüsse. Nicht selten geschieht es, daß
ein Stück der Inseloberflöche in einen solchen glühenden Magmakanal
einbricht. Die wenigen Inselbewohner nutzen die leeren Kanäle, die die
Insel als Relikt versiegter Magmaströme durchbohren, als Vorratsräume
oder zum Schutz gegen zeitweilige Verstärkung der Vulkanaktivitäten und
die dadurch vergrößerte Anzahl auf die Insel geschleuderter Felsbrocken.
Einige wenige Unerschrockene leben sogar in diesen Tunnelsystemen mit
dem ewigen Wissen, daß Esper vielleicht irgendwann die Höhlen
zurückfordert und erneut mit glutflüssigem Gestein durchschwemmt.
Städte auf Gotlac
Rzitok
540 Einwohner
Die einzige Gegend dieser Insel, die sich zumindest einer relativen Ruhe
vor diesen Naturgewalten erfreuen kann, wurde mit dem 540 Einwohner
zählenden Dörfchen Rzitok besiedelt. Dort wachsen sogar einige flache
Sträucher und mageres Buschwerk. Dennoch leben die Einwohner meist von
der Fischerei oder sie wandern über die Insel und durchsuchen die
zahllosen, herausgeschleuderten Brocken der Vulkane nach Rohstoffen, die
in ihnen gebunden sind. Meist verkaufen sie diese dann an Händler, die ab
und zu ihren kleinen Hafen anlaufen. Natürlich bieten die Händler nicht
viel für diese Brocken, weswegen die Bevölkerung dieser Insel in großer
Armut lebt.
Wahrlich ist dies eher die Art von Inseln, die ein Reisender niemals
besuchen wird, es sei denn er kann der Versuchung nicht widerstehen,
einmal eine unheimlich fremdartige, feindselige Welt zu bestaunen.
Boclai
Als die Perle des Blutmeeres ist oftmals die Insel Boclai bezeichnet
worden. In einer Distanz von dreißig Meilen verläuft die Südwestküste
des dicht bewaldeten Eilandes nahezu vollkommen parallel zu Gotlac.
Größer könnten natürliche Kontraste nicht sein als zwischen diesen
beiden Nachbarinseln - die eine übersäht mit Geröll in einer absolut
lebensfeindlichen Umgebung, Boclai hingegen der Inbegriff eines blühenden
Gartens.
Vollkommen unbewohnt ist die achtzig mal sechzig Meilen große Insel von
einem undurchdringlichen Dickicht bewachsen, das sich bis direkt an die
Küsten erstreckt.
Nur auf der nordöstlichen Halbinsel erstrecken sich
weite Sanddünen, die sich von den Meereswinden angetrieben ein ewiges
Spiel mit dem Dschungel liefern - mal dringen die Sandmassen in die
Wälder ein, mal holen sich die schnell wachsenden Pflanzen die sandige
Wüstenwelt zurück. Im Zentrum der Insel befindet sich ein erloschener
Vulkan, aus dem der einzige Fluß der Insel, Ghopok, entspringt. Seine
Fluten sind kristallklar, so daß der Grund deutlich zu sehen ist, und
wegen des hohen Salzgehaltes ist sein Wasser ungenießbar. Nicht einmal
robuste Pflanzen und Algentypen dieser Region haben sich hier in den
Fluten ansiedeln können.
Die Insel ist nicht ohne Grund unbewohnt, denn die Tiefen des Dickichtes
beherbergen eine Gefahr, die in der gesamten Region berüchtigt ist.
Zwischen den eng ineinander verwachsenen Bäumen, Büschen und anderem
Pflanzenwerk, das wie schwere Vorhänge von den bemoosten Ästen hängt,
lebt eine Kreatur, über die es zwar jede Menge Legenden und Gerüchte
gibt, von der jedoch noch nie ein totes, geschweigedenn ein lebendiges
Exemplar die Insel verlassen hat. Zwar haben immer wieder Iadnische oder
Lattalländische Entdecker es in der Vergangenheit gewagt, ihre Krallen
in den bewaldeten Boden der Insel zu setzen, doch nur wenige sind
zurückgekehrt.
Die Kreatur, die dafür verantwortlich gemacht wird, formt sich nur anhand
undeutlicher und wahrscheinlich stark übertriebener Berichte Überlebender
aus dem Nebel der Unwissenheit. Sie wird unheilvoll der Tokenkirid genannt:
der Todesdiener.
Dyais
Während die anderen Inseln dieses Gebietes eher gering besiedelt sind,
handelt es sich bei der östlichsten aller Inseln des ewigen Krieges um
ein dicht bevölkertes Stück Land. Etwa 30.000 Echsenwesen bewohnen die
größeren Städte und auf kleinen Gehöften oder in kleinen Siedlungen in
den von Echsenkrallen geschaffenen, zahlreichen Lichtungen inmitten der
großen Waldflächen, die das gesamte Inselgebiet überziehen. Diese Siedler
leben von dem, was ihnen die tierreichen Wälder und Berghochländer an
Nahrung bringen, oder sie betreiben Tepplarzucht.
Die dichte Bewaldung und die Vielfalt der Inseltierwelt sind nicht die
einzigen Gründe, warum Dyais besonders lebensfreundlich erscheint. Die
stetigen Stürme in dieser klimatisch sehr turbulenten Region lassen einen
großen Teil ihrer feuchten Wolkenlast im Boden von Dyais, wenn sie,
tosend aus Richtung des Solischen Ozeans kommend, als erste Erhebung
auf die östliche Steilküste der Insel prallen. Neben den zahlreichen
Quellen, die an den Berghängen der erloschenen Zentralvulkane aus dem
Gestein treten, sorgen auch diese stetigen, heftigen Regenfälle auf der
Insel für zahllose Flüsse und Bäche, die lebensspendend ihre glänzenden,
blauen Bänder durch die Wälder und Felder ziehen.
Kommt ein Reisender von Osten über die See nach Dyais, so fällt schon von
Weitem die schroffe Silhouette der östlichen Steilküste auf, die sich um
die gesamte dortige Inselnase hinzieht. Dabei handelt es sich um
Felsformationen, die zwischen fünfzig und sechzig Aik nahezu senkrecht
aus dem Solischen Ozean herausragen. In den Nischen und Rissen des
Felsens nisten zahllose Seevögel, die der Küste einen Anblick verleihen
als sei sie in bunten Farben gesprenkelt. Davor zeigt sich nur ein
schmaler Streifen aus Trümmerstücken abgebrochener Küstenformationen, der
ab und an mal von ein wenig dunklem Sand abgelöst wird. Diese Küste ist
außerordentlich felsig und auch wegen der zahlreichen Strömungen eine nicht
zu unterschätzende Gefahr für die Seefahrt.
Gelangt man nun weiter nach Süden, so löst sich bald ein breiter
Sandstrand von der Küste, der zunehmend heller wird. Fünfzig Meilen der
Küstenlinie nach Süden folgend und dann noch einmal fünfunddreißig nach
Westen, gelangt man schließlich zur größten Stadt der Insel - Dyalis.
Der Jeriog entspringt 80 Meilen nordöstlich an den Hängen des
Zentralvulkans Utirec, der schon seit Jahrhunderten schlummert. Ein
weiterer Seitenarm versorgt den Fluß mit dem Wasser aus der den Vulkanen
nach Süden vorgelagerten, sumpfigen Ghik-Hochebene. Bevor die gesammelten
Wasser des Flusses über einen glänzenden, breiten Wasserfall aus der
vierzig Aik höher gelegenen Hochebene über die schroffe Abbruchkante in
die Dyalis-Tiefebene stürzen, sammeln sie sich in einem der beiden großen
Süßwasserseen der Insel, die für ihren Fischreichtum bekannt sind.
Nur noch wenige Meilen trennen den Jeriog jetzt noch vom Meer, wenn er
sich durch die Dyalisebene windet. Entlang der Straße, die entlang der
Südküste nach Osten führt, ist das gesamte Land bereits kultiviert und
wird von weiteren Tepplarfarmern genutzt. Weiter in Richtung Norden wird
der Wald jedoch immer dichter, so daß von Zeit zu Zeit auf dem Weg in
die Hochlagen der Insel selbst die Straße freigeschlagen werden muß. In
diese Wälder sind nur wenige Echsenwesen eingedrungen, eine Ausnahme
hiervon bilden allerdings die Jäger, die sich an den Südrändern der
Wälder niedergelassen haben.
Hinauf auf die Njek-Hochebene, führt eine steinige, geröllige Straße, die
nicht ganz ungefährlich ist. Schwierig genug war es wahrscheinlich, eine
Stelle an den Steilklippen zu finden, die mit zweiundvierzig Aik relativ
flach war und nicht ganz so steil in die Hähe ragte. Nur dort konnte man
beginnen, die Straße in den Stein zu brechen und so hervorragende Arbeit
zu leisten. Dennoch bleibt sie eine gefährliche Trasse, die immerhin fast
zehn Meilen lang in den Felsen aufsteigt. Überrascht von einem
Meeressturm oder einfach nur aus Erschöpfung sind schon so manche Iadner
und Lathan in die tief unten liegenden Wälder oder später im Laufe der
Strecke in das Meer gestürzt.
Gelangt man jedoch auf die Hochebene, so ist der Wanderer sicher für all
die Aufstiegsstrapazen entschädigt. Eine von einigen Wäldern unterbrochene,
wiesenreiche und sanft hügelige Landschaft liegt vor seinem Auge, in der
sich ab und an ein kleines Gehöft einbettet. Hier werden die meisten
Tepplars gehalten, gehegt und gepflegt, bis sie schließlich nach Dyais
oder weiter im Norden dann nach Tulac getrieben werden, um dort einen
guten Preis zu erzielen. Eine alte Ruinenstadt mit einer nur noch wenig
erhaltenen Straße aus den alten Zeiten vor dem Beben liegt zehn Meilen
hinter der Südostküste der Insel. Nur wenige Echsen kümmern sich darum,
meist grasen auf den verwachsenen Straßen und Gassen die Tepplarherden
der Züchter.
Ungefähr in der Mitte der Hochebene gesellt sich erstmals der Strom
Zertac zur Straße, der von den Hängen des Vulkans Utirec entspringt und
in der Njek-Ebene schnell auf stattliche Gräße anwächst. Nach einem
weiten Bogen bleibt er bei der Straße, die mit seinem Bett durch eine
zwanzig Meilen lange Schlucht zur Nordküste hinunterführt. Nach
regenreichen Stürmen stürzen durch diese schmale Schlucht die gewaltigen
Wassermengen zu Tal und reißen alles mit, was sich in dieser Zeit in der
Schlucht befindet. Meistens läßt sich jedoch für diese eine Tagesreise
- bei zügigem Abstieg - das Wetter noch sehr gut abschätzen, beim
Aufstieg hingegen sieht das schon anders aus. Hier müssen zwei
Tagesreisen eingeplant werden, sollte man sehr gut zu Fuß sein und ohne
Lasten reisen. Dies könnte schon gefährlicher werden.
Gemeinsam mit dem Fluß, der zu einem wirklich breiten Gewässer mit noch
viel breiterem Überschwemmungsgebiet angeschwollen ist, wendet sich die
Straße durch weitere Waldgebiete nun dem Meer zu und beide gelangen in
Tulac an.
Weiter nach Osten erstrecken sich weite, lichte Waldgebiete, die der
Küste bis in die äußerste Nordspitze der Insel folgen. Hier finden sich
zahllose Tierarten, nur Insekten sind wegen des starken Windes rar. Aus
diesem Grund tummeln sich hier auch nur wenig Vogeltiere. Der Küste nach
Westen folgend, erreicht der Wanderer schon nach dreißig Kilometern das
Mündungsdelta des Rovekat, einem im Verhältnis zu den anderen Flüssen
der Insel unbedeutenden Rinnsal, das seine Quelle im nördlichen
Gebirgsteil der Insel hat. Es entspringt in der hächstgelegenen Ebene der
Insel, der Lok, auf der abgeflachten Kuppe des Berges Zeuitikod in 400
Aik Höhe.
Im Wechsel von dichten Waldgebieten und breiten Wiesenlandschaften
verläuft die Küste in einem Bogen bis sie an der Mündung des Djiqoc, dem
vierten der großen Flüsse, angelangt ist. Dem Lauf dieses Flusses in
Richtung Inselzentrum folgend, gelangt man schnell an die steilen Hänge
des kleineren Vulkanes Otioc, der direkt an den großen Utirec angrenzt.
Durch eine schmale Schlucht preßt sich das aus der Hähe kommende Wasser
in die Tiefe und staut sich dahinter zu einem großen Gebirgssee, der
durch die Hitze in der Tiefe der Vulkane zu angenehmen Temperaturen hin
erwärmt wird. Die Wasser des Flusses sammeln sich in diesem zweiten
Bergsee der Insel aus allen nur erdenklichen Richtungen selbst aus dem
Kratersee des Utirec fließt ein Bach in dieses Sammelbecken hinein. Die
beiden Vulkane selbst sind schon lange nicht mehr aktiv, ihre Hänge
jedoch noch immer nur sehr wenig bewachsen. Der Utirec ragt bis auf
knappe 650 Aik auf.
Städte auf Dyais
Dyalis
2.500 Einwohner
Dyalis ist die größte Stadt auf Dyais und gleichzeitig Verwaltungssitz
der iadnischen Okkupationsregierung. Die Hafenanlagen sind massiv bewehrt
und eine 20 Aik große Statue aus Granit bewacht die Hafeneinfahrt, die
einen Echsenkapitän darstellt. In ihrem ausgehöhlten Schädel brennt eine
ewige Flamme, die den Schiffen Weggeleit geben soll. In den Augen der
Statue sitzen zwei flache Kristallanordnungen, durch die die Leuchtfeuer
in die Nächte scheinen. Schon von weitem sind die beiden bedrohlichen
Augenleuchten erkennbar und die Seeleute kännen sicher sein, daß sie auf
dem richtigen Weg sind, solange sie beide Augen gleichermaßen erkennen
können.
Die Stadt selbst ist um den Hafen herum angeordnet, und noch einige
wenige Echsen - egal ob Lathan oder Iadner - leben auf den
traditionellen Wohnschiffen. Jedem einzelnen Haus an den Hafenanlagen
ist der Wohlstand dieser Insel deutlich anzusehen. In den vergangenen
130 Jahren des Friedens ist hier ein Reichtum erarbeitet worden, wie ihn
die Insel noch nie zuvor kannte. Hohe Fassaden der Häuser im Zentrum
wurden mit zahlreichen Schnitzereien versehen, für die zahlreiche
Künstler einige Jahre benätigten. Hier liegt auch der größte Markt der
Insel und zweifelsfrei der größte Umschlagplatz für Tepplarfleisch in der
gesamten Inselkette. Viele, die den Inselbewohnern ihren Wohlstand
neiden, bezeichnen die gesamte Insel Dyais als Tepplarkoghit (="Tepplarkoppel").
Die Straßen sind gepflastert mit steinernen Platten, und das
Abwassersystem ist selbst für iadnische Verhältnisse herausragend. Das
Schmutzwasser wird von dem durch die Stadt fließenden Jeriog durch das
Hafenbecken hinaus ins Meer getragen.
Tulac
1.300 Einwohner
Das Städtchen hat sich den regelmäßigen Überschwemmungen sehr gut angepaßt,
denn die Häuser sind alle auf Pfählen gebaut, die in das geröllige
Kiesbett des Flusses gerammt wurden. Breite Stege ersetzen die Straßen
und eine große Holzfläche den Marktplatz, auf dem stetiges Treiben
herrscht. Hier ist ein bescheidener Wohlstand erkennbar. Der kleine
Hafen ist auch hier zu einem Militärhafen ausgebaut worden, und nimmt an
Bedeutung als Anlaufpunkt für Händler zwischen den Inseln des
Schlachtenmeeres zu. Er liegt allerdings etwas ungünstig an der acht
Meilen entfernten Sandstrandküste, da der Ort aus Angst vor
Piratenangriffen und Marineübergriffen schon seit Langem im
Landesinneren liegt. Eine mehr als nur dürftige Straße führt dorthin.
(nn)
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