Die Geschichte Shya Dai Nims
Die You-Teng stützen sich bei den Erzählungen über den Anfang Shya Dai Nims auf ihr ältestes Geschichtswerk, das
Hoan Sin, das Buch des Heiligen, das die Ankunft der Drachen und ihr ersten Herrscher verzeichnet, bevor es sich
dem Pantheon Shya Dai Nims zuwendet.
Die Göttlichen Drachen und die Mythischen Kaiser
Aus dem Süden kamen sie Lun Jin, Herr des Himmels, Lun Kjat, Herr der Felsen, und Lun Siam,
Herr der Flüsse. Sie wählten das Herz des Kontinentes und das dort lebende Volk als das ihre, um Ordnung in die Welt zu
bringen. Unter den Menschen wählten sie einen, der an Weisheit und Voraussicht allen anderen überlegen war, und setzten
ihn als den ersten Herrscher ein.
Siu Fan-Kjin regierte mit Segen der göttlichen Drachen für 140 Jahre, er errichtete die Stadt im Herzen der Welt,
Nam Dsü, und ordnete die Welt in die Kreise: Vom Palast des Herrschers ausgehend nach außen in die Stadt, dann zu seinen
Dienern und schließlich zu den Vasallen und Barbaren unter seiner Herrschaft. Er gab seinem Volk die Schrift und erfand
das Brennen der Tonziegel zum Errichten seines Palastes im trockenen Herzen der Welt. Als er sein Ende kommen spürte,
flehte er zu den göttlichen Drachen um Hilfe bei der Auswahl eines Nachfolgers, denn er konnte nicht zwischen seinen
Söhnen und seinen Vertrauten entscheiden. Wo sein ältester Sohn ein großer General war, war der jüngere ein begabter
Redner; sein erster Minister verwaltete mir großem Geschick Steuern und Abgaben und sein zweiter Minister die Lagerhäuser
und das Getreide. Die Drachen verkündeten ihm, nur jemand, der alles vereinte – den erfuhrchtgebietenden General im Krieg,
den angesehenen Redner im Frieden, den strengen Verwalter und den Gütigen Ernährer des Volkes – könne den Thron einnehmen.
Sie erwählten Ning Pjau-Dat, einen Soldaten und Poeten aus den Reihen der Palastgarde.
Kaum erfuhr er von der Nachricht, warf sich Ning zu Boden und widersprach, dass Söhne und Minister des Herrschers weit
besser geeignet wären, doch die Drachen sandten ihm Li Jeng, die ihn auf seine Füße hoben und ihm Kappe und Stab des
Herrschers reichten und ihm verboten, das Gebot der göttlichen Drachen abzulehnen. Am folgenden Tag trat Siu Fan-kjin
vor den Palast und auf einer Wolke stieg er zum Himmel hinauf.
Ning Pjau-Dat regierte für 126 Jahre und er trieb die westlichen Barbaren zurück und eroberte weite Gebiete, um
sie unter die Ordnung der göttlichen Drachen zu stellen. Die Menschen der Kuo Shan unterwarfen sich ihm und sandten
reiche Gaben an Jade und Gold und die Herren der westlichen Ebene sandten Herden von Kodlus und mit prachtvollem
Zaumzeug behangene Siroltu. Ning brachte seinem Volk die Dichtkunst und das Können, mit Worten umzugehen und sie
gefährlicher einzusetzen als das Schwert.
Als sein Ende kam, erschienen die Li Jeng in seinem Palast und verkündeten ihm, die göttlichen Drachen hätten einen
anderen erwählt. Als er am folgenden Tag vor seinen Palast trat, erwartete ihn ein Beamter seiner Lager. Die Li Jeng
überreichtem dem Beamten, Sun Tjin-Wat, Kappe und Stab und Ning Pjau-Dat stieg auf goldenen Wolken zum Himmel auf.
Sun Tjin-Wat regierte 118 Jahre und er eroberte im Südosten das Gebirge Tongai Shan und schließlich das reiche
Becken Yin Chan. Aus den Tongai Shan sandte man ihm seltene Vögel und Kunstwerke aus prachtvollen Hölzern und vom Yin
Chan weiße Kodlus mit vergoldeten Federn als Zeichen der Unterwerfung. Sun legte die Gesetze nieder, die für alle seines
Volkes gleich zu gelten hatten und verfügte über Strafe und Belohnung und über die Regeln des Begräbnisses.
Als sein Ende nahte, erschienen Li Jeng in seinem Palast. Am nächsten Morgen übergab er Kappe und Stab an den Händler
und Verwalter Wai Dsü-Lam, den die göttlichen Drachen in das Amt berufen hatten.
Wai Dsü-Lam regierte weise für 96 Jahre. Er befriedete die Vasallen seines Reiches und erfand die Kanäle zur
Bewässerung Yin Chans und der Oasen des Herzens der Welt. Unter ihm blühte Shya Dai Nim auf und Frieden kehrte ein in den
Städten. Seine Ehefrau, Pnai Wu-Kjin, unterrichtete das Volk in der Herstellung von Seide und wie man die Maulbeerhaine
und die Larven der Seidenspinner pflegte. Nach 96 Jahren trat Wai Dsü-Lam mit den Li Jeng vor seinen Palast, wo
Kjat Wan-Sin kniete, ein Soldat. Er übergab ihm Kappe und Stab und entschwand in den Himmel.
Kjat Wan-Sin eroberte die Ebenen im Norden und fügte sie in sein Reich ein, ihm wurden rote Siroltu mit goldenem
Zaumzeug überbracht und tausend Speere aus Jadestein und Silber. Er brachte seinem Volk neue Techniken, Metall zu
bearbeiten und die Waffen seiner Armee waren in der Welt gefürchtet und alle verneigten sich vor dem Herrscher im Namen
der Drachen.
Als nach 75 Jahren der Herrschaft Kjat Wan-Sins Ende kam und die Li Jeng vor dem Palasttor erschienen, wollte die
Familie Jün sie nicht einlassen. Seit der Herrschaft Sius waren die Jün Minister und Berater. Ein jedes Mal hatten sie
sich vor dem neuen Herrscher verneigt und gehofft, einst werde einer aus ihren Reihen erhoben. Sie erhoben Protest an den
Himmel, dass den Herrscher aus immer neuen Familien zu wählen das Land schwächte und man eine lange und starke Reihe von
Herrschern bräuchte, die ihr Amt an den nächsten weitergaben und ihren Nachfolger auf die Würde vorbereiten und sie die
wichtigsten Dinge lehren könnten.
Dreimal begehrten die Li Jeng Einlass, um zu Kjat Wan-Sin vorgelassen zu werden und dreimal wurde er ihnen versagt. Die
Li Jeng kehrten zu ihren Herren zurück. Am nächsten Morgen trat Kjat Wan-Sin, der über die Geschehnisse aufgeklärt worden
war, vor den Palast und bat um Vergebung. Die Familie Jün jedoch umgab den Kaiser und versuchte, seine Bitten mit ihren
eigenen zu übertönen.
Es erschienen keine Li Jeng, sondern ein Abbild des Lun Jin selbst und sein silberner Leib füllte den Himmel und
seine Mähne glich Wolken und Blitzen, seine Stimme war der Donner und vor seinem Anblick fielen die Männer der Familie
Jün zu Boden.
Der Drache sprach: „Fünf Herrscher gaben wir dem Volk und wählten sie mit unserer Weisheit. Ihr bringt nichts hervor als
leere Worte und billige Klagen. Ich werde eine Familie wählen, die dem Reich die Herrscher geben sollen, die ihr wünscht.
Ihr werdet sie erkennen, daran, dass sie als Soldaten, als Redner, als Verwalter und als Poeten das Reich einnehmen und
für sich gewinnen werden. Jene, die mit Bedacht und gerecht, mit einem menschlichen Herzen und nach göttlichem Willen
herrschen – jene haben das Mandat der Drachen und ihre Herrschaft wird Shya Dai Nim groß machen.“
Kjat Wan-Sin selbst stieg auf den Rücken des Abbildes des Lun Jin und entschwand in den Himmel, Kappe und Stab ließ er
auf dem Boden vor dem Palast zurück.
Die Männer der Familie Jün versuchten Kappe und Stab an sich zu nehmen, doch wer die Kappe berührte, der wurde von Feuer
versengt, und wer den Stab berührte, den trafen Blitze.
Ein Jahr verblieben Kappe und Stab auf dem Platz vor dem leeren Palast und zur Strafe für das Aufbegehren der Familie
Jün blieb Shya Dai Nim ohne Herrscher und fiel ins Chaos.
Die Familie Lün jedoch, Soldaten und Händler, suchten Nam Dsü Ordnung und Frieden wiederzugeben. Sie machten die Straßen
sicher mit den Kriegern in ihrem Dienst und verteilten Geld und Nahrung an die Armen.
Nach einem Jahr trat Lün Fu-Xin auf den Platz vor dem Palast und nahm Kappe und Stab an sich. Er besaß das Mandat der
göttlichen Drachen.
(ms)
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