Kouotacun - Herrlichkeit
Die Hauptinsel der Lathan ist Kouotacun, was Herrlichkeit bedeutet. Auch wenn ein gewisser Anteil der Namensgebung
sicher Arroganz und Patriotismus entspringt, ist doch nicht von der Hand zu weisen, daß sich dem Reisenden eine
Vielfalt auf dieser Insel darbietet, wie sie im gesamten Inselarchipel der Ostküste einzigartig ist.
Während die großen Vulkanmassive im Zentrum der Insel schon weit von See aus ein gewaltiger Anblick sind, besticht
der Westen der Insel durch seine weiten Marschen und ausgedehnten Waldgebiete. Für diese Feuchtwaldgebiete gilt im
Grunde genau das gleiche, was die Tier- und Pflanzenwelt der drei nordwestlichen Inseln angeht – üppig, schillernd
und jedenfalls auch verwirrend schön. Auch der breite, aber sehr flache Fluß Zuljic, der ausgehend einige Meilen
nördlich von Ljek auenreich durch den dunklen morastigen Grund der Wälder und Marschen fließt, hat ein reichhaltiges
Zusammenspiel an Flora und Fauna zu bieten. Seine feuchte Umgebung lädt besonders Sumpfpflanzen und Amphibien zum
Gedeihen ein. Die Luft sirrt an manchen Tagen von Insekten, die in den zahlreichen Tümpeln und Seen ihre Eier
ablegen, welche noch Meilen entfernt abseits des Flusses beide Flußseiten säumen.
Aus den westlichen Gipfeln der Nectpota-Vulkane ergießt der Fiwakt seine Fluten in Richtung des Zuljic, mit dem er
sich ungefähr vierzig Meilen vor Bolon zu einem tiefen, trägen Gewässer vereint, das für seinen Fischreichtum
bekannt ist. Auch der Riesenfisch Iomoc hat in diesem Flußabschnitt sein Reich. Die Fluten des aus dem Gebirge
herannahenden Flusses sind in höchstem Maße klar und sind darüber hinaus eisig kalt, so daß sich die Vegetation an
seinen Rändern und vor allem in ihm sehr spärlich ausgebreitet hat. Die marschigen Landschaften erstrecken sich
entlang der Bergmassive bis hinab zum südlichen Zipfel der Insel.
Die erste Veränderung der Landschaft kündigt sich durch einen Ausläufer des Kialtgebirges an – den Cion. Es handelt
sich dabei, um eine etwas höhere Hügellandschaft, die einen Riegel zwischen Gebirge und Meer einschiebt. Sie ist
eingebettet zwischen den Läufen des Zwillingsflusses Tnokjuic, dessen Bett sich einmal nordwestlich am Cion
vorbeigraben hat und zum anderen auf dessen südöstlicher Seite vorbeiwindet, wobei dieser Teil nach seinem Lauf
entlang der Ponot-Ebene bei Ntok in die Akalsee fließt. Das Wasser dieser beiden Flüsse kommt aus den östlichen
Ausläufern des Kialtgebirges und fließt nur etwa für zehn Meilen in einer gemeinsamen Schlucht, bevor es sich wieder
in zwei unterschiedlichen Betten aufteilt. Das Wasser ist ebenfalls sehr kalt, aber von leicht rostroter Färbung.
Aufgrund dessen vermutet man Metalle in den großen Höhen der östlichen Ausläufer des Kialtgebirges. Der Übergang vom
Gebirge auf den Cion ist durch die zehn Meilen lange Schlucht, in der der Fluß schäumt, scharf abgegrenzt.
In den locker bewaldeten Hügelketten des Cion nun leben Tiere und Pflanzen, die für das Inselreich einzigartig sind.
Hier hat sich durch den nährstoffarmen Boden ein Gleichgewicht der Pflanzen eingerichtet, das mit größeren Abständen
zwischen den Gewächsen die Nährstoffarmut auszugleichen versucht. Die Tierwelt hat sich hierauf eingestellt und
meidet junge Schößlinge von Gewächsen jeder Art. Und nicht nur dies, denn sollte sich ein Tier über dieses
ungeschriebene Gesetz der Übereinkunft mit dem wackeligen Gleichgewicht der Natur hinwegsetzen, wird dieser Frevel
mit vereinten Kräften gesühnt oder schnell verhindert. Auch kurzzeitige, artfremde Bündnisse sind dabei nicht selten.
Besonders das Kotgorn ist von Bedeutung, ein Säugetier, das sich in großen Rudeln von zwischen 100 und 180 Tieren in
diesen Wäldern aufhält. Ansonsten ist dieser Säuger lediglich noch auf der Südspitze der Insel und im hügeligen,
bewaldeten Hinterland des Kontinentes in weiteren stadtähnlichen Kolonien zu finden.
Weiter im Süden erstreckt sich dann die Ponot-Ebene mit ihrem kargen bis überhaupt nicht vorhandenen Bewuchs. Abgesehen
von kleinen Flecken mitten in dieser absolut trockenen Region, an denen das Grundwasser in kleinen Tümpeln an die
Oberfläche tritt, kann man tagelang reisen, ohne daß man auf ein wenig Grün trifft. Bei sporadisch einsetzendem
Regen blüht dieses Gebiet hellen Sandes und struppigem, graubraunen Grases in zahllosen Farbnuancen auf und erhält
einen Blütenteppich, der bis zum Horizont reicht. Schon nach wenigen Stunden fallen die Pflanzen dann allerdings
wieder in ihren graubraunen Tiefschlaf und lassen ihre Blüten vom Winde verwehen. Oftmals bleiben dann nur die
Wurzeln im Untergrund zurück. Auch hier gibt es die Steinmolche, die in der Trawem-Ebene auf Ilais, so häufig sind,
allerdings sind sie auf Kouotacun sehr seltene Erscheinungen.
Das Hügelland von Jetok ganz an der Südspitze ist wieder von lockeren Wäldern bewachsen, die schon tropischere,
dichtere Charakterzüge haben als die Wälder des Cion, aber immer noch das soziale, symbiotische Verhalten der
Kotgorn erfordern, die auch hier einige Kolonien errichtet haben. Allerdings sind die klimatischen Bedingungen nicht
so ideal wie im Cion-Hügelland, so daß die Tiere nicht zu der gleichen Größe heranwachsen. Dennoch ist auch hier in
der Nacht das schnaufende Zischen dieser Tiere zu hören.
Zunehmend werden die Tiere allerdings von den rohstoffsuchenden Lathan in ihren großen Revieren eingeengt und
zurückgedrängt. In diesen Hügelregionen stoßen zahlreiche Metalle durch die Felsen des Untergrundes: Zink, Kupfer,
Zinn und Arsen, das die Haltbarkeit von Waffen aus Bronze stark steigert, wenn man Kupfer, Zinn und Arsen zusammen
verarbeitet. Diese von Gelehrten aus Goran entwickelte Technologie ist noch sehr neu, aber genau dafür werden die
Arsenerze im Gestein zunehmend ausgebeutet.
Richtung Goran wandelt sich die Landschaft dann über die Sandsteppe der Ponot-Ebene zu weitem Grasland, das wegen
des gelbsandigen, dünenartigen Untergrundes aber nur sehr flach und dürr wächst. Schilfige Farne erzeugen teils
große Inseln aus Farnwäldern, in denen sich zahlreiche Tierarten tummeln. In den weiten Grasländern findet man
eigentlich nur Schlangen und kleine Nagetiere, sowie Insekten. Der Lebensraum außerhalb dieser Schilfinseln ist zu
unfreundlich für die meisten, gerade die größeren Lebensformen, weshalb man allein schon wegen der zahllosen
Tierlaute innerhalb der Farninseln den Eindruck gewinnt, das gesamte Leben spiele sich innerhalb dieser begrenzten
Gebiete ab. Die Lathan nennen diese schilfartigen Farnregionen daher auch Yintoo bagec Viliano – Inseln des Lebens.
In der Nähe des von Dnijok aus nach Goran fließenden Flusses Bajic werden diese Inseln zahlreicher und nehmen auch
ab und an ein paar Bäume in sich auf.
An der Nordostküste wird der Sand zunehmend der dominierende Teil der Landschaft – bei starkem Wind treiben die Böen
den feinen Sand des Untergrundes vor sich her und machen jede Reise zu einer Qual. Auf der Verbindungslinie zwischen
den Siedlungen Lgiek an der Küste und Tokar im Landesinneren befinden sich große Süßwasserseen, die die Lathan in
dieser so trockenen Region mit trinkbarem Wasser versorgen. Diese Seenlandschaft zieht sich bis in die Gegend von
Pok hoch im Norden der Insel hin. Doch auf der gesamten Inselseite sind die Ufer der Seen und Tümpel nur sehr
spärlich bewachsen – und die Pflanzen, die hier gedeihen, sind nur wenige Buscharten, neben Farnen und Schilfen in
großer Zahl. Daher ist der Tierreichtum an diesen klaren Süßwasserseen sehr hoch. Allerdings sollte man an dieser
Stelle nicht eine Warnung vergessen: Entlang der gesamten Nordostküste findet der Reisende sicher kaum ein Gewässer,
das nicht von Kockindrills bevölkert wäre. Ständig unterernährt und dadurch sehr aggressiv, reißen diese Raubechsen
durchaus auch mal einen Reisenden. Der größte, und auch sicher bekannteste Süßwassersee ist der Jkutro im Norden der
Insel. In ihm sammeln sich die Fluten eines Nebenarmes des aus den Kratern der Nectpota-Vulkane hinabfließenden
Atrioc. Das Wasser sammelt sich in diesem See zu einem großen, an jeder Stelle kaum mehr als ein bis zwei Schritt
tiefen Reservoir, das über keinen Ausgang zum Meer verfügt. Das Wasser verdunstet in die Luft und versickert in
den lockeren, sandigen Boden. Treibsande sind in dieser Gegend keine Seltenheit und auch die Süßwasser liebenden
Kockindrillarten tummeln sich hier zuhauf.
Die sandige Landschaft zieht sich bis an die Nordspitze der Insel hin, wo sie sich langsam wieder zu marschigen
Waldlandschaften verändert. Sie ist lediglich in einem Streifen unterbrochen, in dem auch die Stadt Sutol liegt,
und der circa siebzig Meilen von der Nordostküste entfernt in die trockenen Täler zwischen dem Kransib-Zug und
dem Kialtgebirge übergeht. In diesem relativ schmalen Gebiet entlang des breiten Flusses Atrioc haben sich viele
Mineralstoffe im Boden angeschwemmt. Dort gedeihen beachtliche Wälder in reichhaltigen Auenlandschaften mit
zahlreichen Tierarten und verschiedensten, feuchtwarmes Klima liebenden Pflanzenarten.
Im Inland nun stößt man im Norden auf den Kransib-Zug, der mit seinen zackigen Felsformationen wenig einladend wirkt.
Abgesehen von den mächtigen Gebirgskarsens, die in diesen Regionen mit ihrem Nestbau beschäftigt sind, sind diese
Berge kaum genutzt. Nur wenige Raubtiere durchstreifen die karge Landschaft auf der Suche nach einem der wenigen
dort lebenden Tiere. Der Vulkan Ikot im Nordwesten ist der markanteste Gipfel des Bergmassives und besteht aus sehr
löcherigem, porösen Gestein, durch das an den verschiedensten Stellen permanent Lava fließt. Eruptive Ausbrüche sind
eher selten. Die Gegend ist bekannt für die Giftigen Gase, die einem die Atmung erschweren. Da es in nahegelegenen
Regionen allerdings Gold und Silber geben soll, scheuen viele Lathan dieses Hindernis nicht, um an die Edelmetalle
zu gelangen. Wer sich bei dem Aufstieg nicht allzu sehr anstrengt sollte auch gute Karten haben, um in den
höhergelegenen Regionen sein Glück finden zu können.
Weiter in Richtung Osten liegt der Vulkan Lorgki, der sehr spitz in die Höhe deutet. Seine Wände sind dermaßen steil
und sein Rumpf derart schmal, daß er auch Ractor Ileckot genannt wird, was so viel bedeutet wie „Erhobene Kralle“.
Sein mächtiger Eindruck überragt die umliegenden Bergkuppen um einiges. Zwei dieser Berggipfel in Richtung Norden
sind ebenfalls Krater von Vulkanen, allerdings sind diese wesentlich kleiner und sehr viel weniger aktiv als der
Hauptkrater Lorgki. Die Ausbrüche dieses Vulkanes sind oftmals ein eindrucksvolles Schauspiel und sind wohl am
besten aus den Siedlungen Hjiceb und Tocalat zu beobachten. In schöner Regelmäßigkeit einer Periode von zwei bis
vier Monaten schleudert dieser Berg Asche und Staub über die Landschaft, die in besonders starken Ausbrüchen auch
mal mit glühenden Gesteinsbrocken durchsetzt sind. Dann trägt diese Felsklumpen ihr eigener Schwung durchaus
auch mal bis nach Sutol oder auch nach Hjiceb und Tocalat.
Die Asche und der Staub, die von Lorgki hinausgeschleudert werden, sammeln sich in dem zehn Meilen breiten Tal
zwischen Kransib-Zug und Kialtgebirge. Selbst wenn sich dort der Fluß Atrioc seinen Weg durch die geröllige
Landschaft bahnt, findet man auch an dessen Ufern kaum Vegetation. Die Flugasche und der feine Staub ersticken den
größten Teil des Lebens, und auch die Pflanzen, die sich gegen diese Gewalt auflehnen, sind stets mit einer dünnen
Staubschicht bedeckt. Auch das Atmen fällt in dieser Region schwerer als anderswo – einzig einer der zahlreichen
Regengüsse schafft für einige Stunden Abhilfe, bis sich die Luft wieder mit feinem Staub angereichert hat.
So gelangt man schließlich zu dem größten Gebirge auf den Latalländischen Inseln – dem Kialt. Dieses gewaltige
Gesteinsmassiv mißt von Westen nach Osten über 150 Meilen und von Norden nach Süden fast 100 Meilen. Es ist
durchzogen von tiefen zerklüfteten Schluchten und scharfkantigen bizarren Gesteinsformationen. Seine Hänge sind an
der nordöstlichen Seite mit lockerem Wald bewachsen, je weiter man nach Südwesten gelangt, umso weniger Bewuchs
findet man jedoch in den höheren Lagen. Erst einigen Dutzend Meilen vor den Marschlanden des Südwestens beginnt
wieder dichtes Grün zu sprießen. Durch die Mitte des Kialtgebirges zieht sich ein L-förmiges Gebiet von Vulkankratern,
aus deren zahlreichen Kraterseen der Atrioc seinen Beginn nimmt. Diese Nectpota-Vulkane sind zum größten Teil auch
heute sehr aktiv und verleihen den Hochlagen des Gebirges mit gräulich gelblichen Dunstschwaden einen unwirklichen
Anblick, aber diese Ansicht ist nur sehr lokal begrenzt und vom Flachland nur schwer zu sehen. Allerdings sind
Ausbrüche, die in regelmäßigen Abständen von einigen Jahren auftreten, durchaus auch an den Küsten durch leichte
Erschütterungen wahrnehmbar. Unter den Quellen des Tnokjuic im Gebirgsstädtchen Djak im Ostteil des Gebirgsmassives
muß man dann doch den dauerhaften Anblick der qualmenden, vulkanischen Schlote ertragen, die von dort aus nur zehn
bis fünfzehn Meilen entfernt liegen. Bei ungünstigen Norwestwinden trägt der beißende Nebel begleitet von
widerlichem Gestank dann auch bis in die Nähe des Städtchens. Wo sich der Tnokjuic sein Bett in das Gestein gemahlen
hat, treten zahlreiche Rohstoffe an die Oberfläche, werden teils ausgewaschen oder schimmern als offengelegte Adern
mitten in der Landschaft. Dieser Rohstoffreichtum, unter anderem an Kupfer, Zinn, Zink, Blei und Edelmetallen wie
Silber und Gold macht das Städtchen Djak zu einer der am stärksten wachsenden Region der Insel Kouotacun.
Nach Südosten über die letzten Bergkämme hinweggeschaut, blickt man über die Hochebene von Bajic – benannt nach dem
in dieser Ebene sein Wasser sammelnden Fluß. Diese Ebene ist sehr karg, und dennoch gedeihen hier Pflanzen, die
selbst die Lathan an Land anbauen, wo sie doch ansonsten nur auf Unterwasserfarmen Meerespflanzen züchten. Die
Cherilark ist eine dünnstämmige Pflanze, die einzigartig in der gesamten Küstenregion des Ostens ist und eine
entsprechende Berühmtheit erlangt hat. Viele Anwendungen sind zwar über die Bewohner dieser Region hinaus bekannt,
die sich größtenteils im Dorf Dnijok angesiedelt haben. Jedoch gibt es auch Heiler und Magier, deren Kräfte durch
diese Pflanzen einzigartig geworden sind, und die ihr Wissen nicht mit Fremden teilen, sondern nur an ihren direkten
Nachfolger weitergeben. Daher gibt es eine stetige Prozession von Lathan, die mit ihren zahlreichen Gebrechen und
ihren frommen oder hinterhältigen Aufträgen an diese Gelehrten herantreten und über die alten Ruinenstraßen von Ntok
an der Südküste oder von Goran den Aufstieg auf die Hochebene wagen. In Dnijok haben sich zahlreiche Gaukler und
Gastwirte auf diese ständigen Besucher eingerichtet, dennoch gestattet man es niemandem, eine dauerhafte Bleibe
einzurichten.
(nn)
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