Die Bundgenossen
Der Sieben-Städte-Bund ist ein Schmelztiegel verschiedenster Völker. Hier tummeln sich Angehörige von Menschenvölkern
unterschiedlichen Schlages und vermischten sich zu einem Konglomerat, bei dem man kaum noch einem einzelnen Bundgenossen seine
Herkunft ansehen kann. Typisch kôrnische bleiche Haut und kantige Nasen sind hier ebenso ein alltäglicher Anblick wie kalenische
rote Lockenköpfe, marhalische Mandelaugen und platte rothäutige Tlitleca-Gesichter oder gar kohlschwarzes andarisches Haar. Etwa die
Hälfte der Bundgenossen sind Menschen, gut ein Drittel besteht aus #268;én, etwa ein Zehntel sind Tekumir und eine kleine Minderheit
stellen die Norren.
Sprachen im Kalch
Auch die Sprache im Kalch ist ein Konglomerat unterschiedlicher Einflüsse. Nordkôrnische Dialekte haben dich mit kalenischen und
marhalischen Einflüssen gemischt, sogar eine ganze Reihe Tlitleca-Begriffe haben ihren Weg in den Wortschatz der Bundgenossen
gefunden. Da der Handel eine bedeutende Rolle im Städtebund spielt, haben auch Reisende aus fernen Ländern ihre Sprachen mit in das
Idiom des Kalch einfließen lassen, und so finden sich Begriffe aus dem Tanakra, dem Terebin, verschiedenen Andarischen Dialekten und
seit Kurzem sogar aus dem Pegai. Eine einfache Händlersprache hat sich aus all diesen Versatzstücken zusammengesetzt; hauptsächlich
konzentriert sie sich auf Zahlen, Zeiträume und die wichtigsten Bezeichnungen für Handelsgüter und ermöglicht eine ausreichende
Verständigung zwischen feilschenden Händlern. Auch in den Alltagsgebrauch ist diese Händlersprache inzwischen fest integriert. Es
gilt als schick und als ein Anzeichen von Weltläufigkeit, fremdländische Begriffe zu verwenden und „einzukalchen“. So sind dem
gebildeten Bundesgenossen mehrere Ausdrücke für ein und den selben Begriff geläufig, die er gern und oft synonym einzusetzen
weiß – mit kleinen Nuancen in der Bedeutung, je nach verwendetem Wort: So steht zum Beispiel der aus dem Tlitleca-Wort für
Regen – huiacl – entlehnte Begriff „huia“ für einen heftigen, Schäden verursachenden Regenguss, während das aus dem
kôrnischen stammende „deszt“ für lange andauernden Nieselregen steht. Generell sind tlitlatlische Begriffe eher negativ
konnotiert...
In den einzelnen Gilden gibt es wiederum Begriffe, die nur untereinander verwendet werden, so dass sich so etwas wie ein
Gildenjargon für Eingeweihte entwickelt hat. Auch lokal unterscheiden sich diese Gildenslangs zudem noch teilweise voneinander.
Die hier lebenden Tekumir und Norren sprechen untereinander sowieso in ihren eigenen Sprachen, wobei sich zumindest die Norren Mühe
geben, sich auch Menschen und én verständlich zu machen. Die Tekumir bedienen sich eines üblen Gossen-Idioms, das kein normaler
Bundgenosse versteht.
Selbstverständnis
Freiheit, Unabhängigkeit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Gemeinschaftssinn, Gemeinwohl – so lauten die Ideale der Bundgenossen. Sie sind
stolz darauf, keinem Herrn Untertan zu sein und auf den materiellen Reichtum sowie die soziale Sicherheit ihres Gesellschaftssystems.
Mit einem gewissen Mitleid, aber auch mit Hochmut schauen sie auf Ausländer herab, die nicht das Glück haben, in einer solch
perfekten und gerechten Gesellschaft zu leben wie sie selbst. Bei jeder Gelegenheit versuchen sie, jene „armen, unterdrückten und
geknechteten Untertanen“ von den Vorzügen ihres Systems zu überzeugen. Zwar sind sie sich durchaus darüber im Klaren, dass sich nicht
so bald ganz Esper von ihrer Weltanschauung überzeugen lassen wird, doch sehen sie es als hehres Ziel an, irgendeinmal der ganzen
Welt Freiheit und Gerechtigkeit zu bringen.
Jegliche Anzeichen für Ungerechtigkeit und Unterdrückung bringen sie leicht in Rage und sie sind schnell dabei, sich lautstark und
wortreich über dieses Unrecht aufzuregen. Überhaupt lieben sie Streitgespräche und legen starken Wert darauf, ihre eigene Meinung zu
Gehör zu bringen und am Ende auch durchzusetzen. Zu jedem Thema haben sie eine Meinung und sie legen Wert darauf, angehört und ernst
genommen zu werden.
Wer sich als Ausländer „bekehren“ lässt und sich ihrem Lebenswandel anschließt, ist ihnen willkommen, Vorgeschichte, Nationalität
und Status spielen keine Rolle. Allerdings verachten sie „Schmarotzer“, die meinen, sich im vermeintlichen Wohlfahrtssystem des
Städtebundes auf die faule Haut legen zu können und durchfüttern zu lassen, wird sehr schnell ihren Unmut zu spüren bekommen. Die
Bundgenossen sind stolz darauf, ein Teil ihres Systems zu sein und zu dessen Funktionieren beizutragen. Es handelt sich nun mal um
ein System von Geben und Nehmen. Sie geben gern, verlangen dafür aber auch stets eine entsprechende Gegenleistung.
Auf ihren Wohlstand sind die durchaus stolz und stellen ihn auch gern zur Schau – ohne dabei ins Protzen und Prahlen zu geraten. In
den Städten sind Straßen, Parks und Gebäude stets sauber und gepflegt, lassen jedoch jeglichen prahlerischen Pomp und Putz vermissen.
Verzierungen der Fassaden basieren auf strengen und geordneten geometrischen Formen und Mustern. Eine gepflegte und ordentliche
Erscheinung ist für einen Bundgenossen selbstverständlich, es besteht kein Grund, mit verdreckten und schäbigen Kleidern oder wirrem
Haar herumzulaufen.
Nicht nur in langwierigen Wortgefechten verteidigen sie ihren geliebten Städtebund und dessen vorbildliche perfekte
Gesellschaftsordnung, auch streiten sie mit Waffengewalt für die Freiheit ihres Städtebundes und verteidigen ihn gegen Übergriffe
feindlicher Nationen, die ein gieriges Auge auf das Kalenachdelta und dessen lukrative Handelsrouten geworfen haben. Durch den
Wohlstand, der ihnen der Handel beschert, hat sich der Städtebund zu einer bedeutenden und selbstbewussten militärischen Macht
entwickelt. Und die Kampfesmoral seiner Truppen ist besonders hoch anzusiedeln, denn schließlich kämpft man für Freunde und
Familien, für den freiheitlichen Lebenswandel und ist mit mehr Herzblut bei der Sache, als es Armeen voller Söldner oder zum
Kriegsdienst gepresster Halunken vermag.
Religionen im Kalch
Der Fall des Sonnenpriesters Shihuat, der sich 284 n.L. angesichts tlitlatlischer Plünderer, die nicht einmal Anhänger ihres eigenen
Sonnengottes vor ihren Grausamkeiten verschonten, von seinem Tempel aus in den Tod stürzte, löste eine Bewegung im Südwesten aus,
sich von jeglicher Religion zu lösen, die den Glauben an abstrakte entrückte Gottheiten propagieren. Für die Händlerseelen der
Bundgenossen ist ein solch einseitiges Glaubensverhältnis der Verehrung von Gottheiten, die sich sowieso nicht in den Lauf der Welt
einmischen, einfach ein „schlechtes Geschäft“ und man verließ sich lieber auf seine eigenen Fähigkeiten und nahm sein Schicksal
selbst in die Hand. Jegliche Spiritualität war für lange Zeit aus dem Alltagsleben der Bundgenossen verschwunden, jedoch blieb das
Bewusstsein um die Geister in den Sümpfen und im Wasser des Kalch lebendig. Schutzzeichen und Amulette sollen böse Geister vertreiben
oder gnädig stimmen. Kultischen Charakter hat dieser Volks-Aberglaube nie entwickelt.
Das Konzept persönlicher Selbsterkenntnis und Erleuchtung völlig unbekannt. Deswegen fiel die mabedianische Weltanschauung mit ihrem
Schöpfergott, der sich nicht in die Geschicke der Welt einmischt und jene belohnt, die sich selbst zu helfen wissen und nach einer
Erkenntnis über das Wesen der Welt und das Wesen des Selbst streben, im Kalch auf fruchtbaren Boden. In den letzten 50 Jahren seitdem
Kontakt mit den Anhängern des Mabedianertums besteht, beschäftigten sich eine ganze Reihe Gelehrter und Philosophen mit der Seele und
dem Bewusstsein – Phänomene der Persönlichkeit, die über lange Jahre in der Gesellschaft des Südwestens völlig vernachlässigt worden
waren. Klöster des Assalitenordens haben sich im Städtebund angesiedelt und bieten einen Ort der Kontemplation und Meditation für
Sinnsuchende sowie Ratschlag und Hilfe für Leute mit seelischen Problemen.
Da die mabedianischen Brüder nicht danach streben, eine konstitutionalisierte Glaubensorganisation zu errichten und sich ansonsten
gut in das Leben im Kalch eingefügt haben, wird ihre Arbeit im Allgemeinen wohlwollend aufgenommen, ja ihnen wird inzwischen nahezu
ein Gildenstatus zuerkannt, da sie sich auf einem Feld betätigen, das bis dato im Kalch völlig unbekannt war und auf das keine andere
Gilde ein Monopol beanspruchen kann.
Ganz anders verhält es sich dahingegen mit den Gesandten und Propheten anderer Glaubensrichtungen. Anhänger des tlitlatlischen
Tlitlatzl-Kultes werden als Verbrecher verfolgt, da ihre Religion gegen die meisten der Sieben Freiheiten gerichtet ist.
Da man sich hier höchstens von tatkräftig zu Gunsten ihrer Gläubigen in den Lauf der Welt eingreifenden Göttern überzeugen lassen
kann, haben sowieso nur die Propheten der Leibhaftigen Götter Andariens eine Chance darauf, überhaupt Gehör und Anhänger im Kalch zu
finden. Dies gelingt ihnen allerdings in letzter Zeit mit zunehmendem Erfolg. Beeindruckende Wunder wirkende Gesandte reisen durch
das Delta, vollmundige Versprechungen ihrer göttlichen Herren im Gepäck. Doch da die Bewohner des Kalch im Wohlstand leben und es
ihnen insgesamt recht gut geht, lassen sich nur wenige Leute von den Versprechungen der Leibhaftigen blenden.
Sollte sich jedoch einmal die Lage ändern und sollten Not und Verzweiflung das Delta heimsuchen, so würde die Akzeptanz der dann
heilversprechenden Götter sicherlich wesentlich ansteigen...
(dr, me)
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